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und sein Eigenthum.“

1

Jeder Mensch ist ein „Einziger“. Der Grund-

satz des Einzigen ist: „Mir geht nichts über mich.“ Dieser Satz ist

die unmittelbarste und reinste Folgerung aus dem Begriffe des ab-

soluten Einzelnen. Wer den Gedanken zu Ende denkt, den Prome-

theus ausspricht: „Hast du nicht alles selbst vollendet, heilig glühend

Herz?“, dem ist die Folgerung: „Mir geht nichts über mich“ auch

unvermeidlich. Das ist nicht rohe Eigensucht, sondern logisch not-

wendige Folgerung, die andere Seite des geistigen Auf-sich-selbst-

Gestelltseins. Es k a n n mir ja nichts über mich gehen, weil ich

innerlich ganz allein und nur ich selbst bin. Ich darf daher gar nicht

anders denken, es ist sittlich für mich, reiner Selbstling, reiner

Egoist zu sein. Es ist sittlich für Fafner, als Drache den Schatz zu

bewachen: „Ich lieg’ und besitz’.“ Die anderen Menschen k ö n -

n e n mich im Grunde nichts angehen, denn sie sind als rein äußere

Faktoren gesetzt.

Dem absoluten Einzelnen entspricht dann die unbeschränkte

Freiheit, die „Herrschaftslosigkeit“ oder „Anarchie“ (zu deutsch:

„ohne Herrschaft“). Wie stellt man sich aber das Zusammenleben

vieler Menschen auf Grundlage reiner Freiheit vor? Da ist zuerst

die Gestalt des Bomben werfenden Anarchisten, der sich schlecht-

hin von allen ihm unbequemen Fesseln der Gesellschaft befreien

will. Dann der „Edelanarchist“. Dieser will durch gutes Beispiel

wirken und auf der Grundlage freiwilliger Genossenschaftlichkeit

das gesellschaftliche Leben auf bauen. Wer z. B. Lust hat, Eisenbah-

ner zu werden, / tritt in die Genossenschaft der Eisenbahner ein.

Eine letzte Möglichkeit wäre noch die, einsam zu leben. — Sowohl

die Einsamkeit, wie die vollständig freiwillige Genossenschaftlich-

keit sind aber praktisch durchaus unzulänglich, um menschliche Ge-

sellschaft zu gestalten. In Wirklichkeit kommt (so viel ist wohl ohne

weiteres klar) dabei ein Chaos heraus — der Anarchismus erweist

sich praktisch als gänzlich unmöglich

2

. Aber solange es Menschen

gibt, hat es trotzdem den Anarchismus gegeben, vertreten von un-

klaren Schwärmern, den „Edelanarchisten“, oder von Gewalttätigen

und Verzweifelten, den Bombenwerfern. Es ist packend zu sehen,

1

Max Stirner: Der Einzige und sein Eigenthum, Leipzig 1845 (Reclams Uni-

versalbibliothek, Bd 3057—60).

2

Sogar Max Stirner ist daher von universalistischen Einschlägen nicht frei:

„Meinem Liebchen .. .“ sagt das erste Blatt!