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Bürger ja keine wesenhafte, geistige, sondern nur eine äußerliche,
nothafte Verbindung haben). Auch die Gesellschaft des aufgeklärten
Absolutismus ist grundsätzlich atomistisch gebaut, jedoch wird
durch die Beamtenhierarchie dieser Atomismus praktisch zum Teil
überformt und verdeckt. — Die machiavellistische Gesellschaft da-
gegen zeigt grundsätzlich ein Gefüge, eine Abstufung, nämlich je
nach Herrschergewalten und Herrschaftsverhältnissen. Dieses Ge-
füge ist zwar auch nur mechanistischer, nicht geistiger Art, aber es
ist doch aus ungleichen, nicht aus gleichen staatsbürgerlichen Gel-
tungsgraden zusammengesetzt.
§ 6. Die politischen Grundsätze des Individualismus
Aus der Art, wie der Aufbau von Gesellschaft und Staat gedacht
wird, ergeben sich die obersten Baugesetze der Gesellschaft, die zu-
gleich notwendig zu obersten politischen Grundsätzen werden.
Diese gilt es nun in aller Kürze zu entwickeln.
I.
I. Die Freiheit des Einzelnen
Wie der tragende Begriff des Individualismus der Einzelne ist, so
ist die Freiheit des Einzelnen sein erster politischer Grundsatz; denn
„Freiheit“ geht unmittelbar und notwendig aus der Selbstgenug-
samkeit des Einzelnen hervor. Die Begründung der Freiheit kann
man im verneinenden und im auf bauenden Sinne geben:
/
a.Alle Bindung des Einzelnen ist Fessel, ist eine Hemmung seiner
geistigen Selbstbestimmung. „Zwang“ heißt daher grundsätzlich:
Beengung, Beeinträchtigung der geistigen Entwicklung des Einzel-
nen. Freiheit in jeder Form, Vereins- und Versammlungsfreiheit,
Preß- und Redefreiheit, Religionsfreiheit, Berufs- und Gewerbe-
freiheit, Handelsfreiheit, sogar Wucherfreiheit, überall nur Freiheit.
„Laissez faire, laissez passer, le monde va de lui-même“, das war der
Wahlspruch der Naturrechtler. Und die einzige Schranke ist die
Rücksicht auf den Urvertrag, das heißt auf die Sicherheit und Ord-
nung (denn sonst würde ja aus so vielen Freiheiten der Krieg aller
gegen alle werden).
b.
Aufbauend gesehen, erscheint umgekehrt die Freiheit als die