Table of Contents Table of Contents
Previous Page  2201 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 2201 / 9133 Next Page
Page Background

[25/26]

39

wandter Weise auch bei Aristoteles und den mittelalterlichen Scho-

lastikern, ferner bei Hegel und selbst bei den Romantikern in mehr

oder weniger bedingungsloser oder bedingter Form. Sie braucht,

wenn sie richtig verstanden wird, den Einzelnen in seiner Selbstän-

digkeit und in seiner Eigenart nicht zu vernichten, weil sie ja jedem

seine Stelle als Glied des Ganzen, als Organ, als Besonderheit an-

weist. Eine andere Frage ist es allerdings, wie diese Besonderheit zu

erklären sei.

Für die Gesellschaftslehre ist es geboten, ihre Sätze nicht von be-

stimmten philosophischen Lehrbegriffen abhängig zu machen, daher

ist es das Richtigste, an dieser Stelle zu der Ideenlehre gar nicht

Stellung zu nehmen. Jedoch steht so viel fest, daß das allgemeine

Denkschema, das die Ideenlehre dafür bietet, wie das Ganze und

sein Teil zu denken sei, das universalistisch einzig angemessene und

brauchbare ist. Andererseits muß man sich dessen bewußt sein, daß

mit diesem Denkschema die Aufgabe der universalistischen Gesell-

schaftserklärung noch nicht gelöst ist. Denn dieses Denkschema bie-

tet noch eine zu starre Auffassung, die zwar den Vorteil hat, daß

sie die ursprüngliche Wirklichkeit des Ganzen leicht erklärt, aber

nicht, wie die Einzelheit und Besonderheit innerhalb dieser Ganz-

heit, durch diese Ganzheit sich b i l d e , w o i n d e r a l l g e m e i -

n e n Substanz denn überhaupt ein Ansatzpunkt für das Sonder-

tümliche, die Individualität, gegeben sei; und ferner: welches die

Lebens- und Bewegungskräfte des Ganzen seien. Die antike Ideen-

lehre erklärt die Besonderheit des Einzelnen als den jeweils ver-

schiedenen Widerstand der Materie gegenüber der Idee. Unbeurteilt,

ob diese Lehre philosophisch richtig sei, genügt sie gesellschaftswis-

senschaftlich nicht, da ein an sich Allgemeines oder ein Ganzes an

sich und eine qualitätslose (also noch leere) Materie in der gesell-

schaftlichen Erfahrung weder gegeben noch kon- / struierbar sind.

Eine Lehre, die zur Lösung der Aufgabe fortschreiten will, auch

die Besonderheit und Unvertretbarkeit der Einzelnen zu erklären

und ferner die bewegte Lebendigkeit jeder Ganzheit in ihren Begriff

mit aufzunehmen, möchte der hier vorgetragene „kinetische Uni-

versalismus“ sein.