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nahme auf eine andere Geistigkeit. Immer nur in Gegenseitigkeit

mit einem anderen Geist ist Geist, niemals in reinem Fürsichsein.

Das schöne deutsche Wort „Gemeinschaft“ drückt diese Tatsache

der Doppelseitigkeit, der Gegenseitigkeit alles Geistigen im Einzel-

nen vorzüglich aus. Da aber dieses Wort außer für das rein Geistige

auch für das Tun und Handeln gebraucht wird (z. B. „Einkaufsge-

meinschaft“, politische „Wahlgemeinschaft“ — also Gemeinsamkei-

ten des Handelns), so ist es nötig, außerdem einen Fach- oder

Kunstausdruck zu haben. Als solchen Kunstausdruck gebrauchen /

wir das Wort „Gezweiung“, was soviel sagen soll, wie das Gegenteil

von „Entzweiung“, nämlich nicht, daß aus einer Einheit zwei ge-

sonderte Einzelne würden, sondern umgekehrt, daß zwei Einzelne

in Wahrheit eine Ganzheit bilden, etwa wie: Paar oder Gabel, Ga-

belung, wo auch zwei Einzelne nur als Teile einer Ganzheit Dasein

haben. Wir können dann sagen: Das G e i s t i g e d e s E i n z e l -

n e n h a t d i e D a s e i n s f o r m v o n G e m e i n s c h a f t

o d e r „ G e z w e i u n g “ ; a l l e g e i s t i g e W i r k l i c h k e i t

b e s t e h t n u r i n „ G e z w e i u n g “ , nur in „Gezweitheit“.

Besteht alles Geistige nur in Gezweiung im Sinne gegenseitiger Er-

weckung, dann kann man auch sagen, daß der Einzelne nur durch

M i t d a b e i s e i n eines anderen Geistes w i r d , und wäre die-

ser andere Geist ein längst verstorbener Freund, ein Dichter und

Denker, dessen Bücher wir lesen, und wäre es ein bloß mittelbares

„Interesse“ eines anderen oder einer Gruppe von anderen, oder

hätte es welche greifbare oder abstrakte Form immer. Welchen Weg

die Untersuchung auch gehe, immer wird sie finden: Die

G r u n d t a t s a c h e d e s g e s e l l s c h a f t l i c h e n L e b e n s

i s t , d a ß a l l e G e i s t i g k e i t n u r m ö g l i c h i s t i n

G e z w e i u n g .

Es gilt nun, einige leibhaftige und zwingende Erfahrungen im

Leben aufzusuchen, um diese Einsicht zu erleuchten und zu befesti-

gen.

Wohin wir uns im Leben und der Geschichte auch wenden, über-

all wird sich bestätigen, daß es undenkbar ist, ein Geistiges zu fin-

den, welches tatsächlich in vollkommener, das heißt innerer Ab-

sonderung (Isolierung) entstünde. Überall muß als eine zweite Seite

die Anteilnahme eines anderen Geistes dabei sein. Nehmen wir als

erstes Beispiel das Verhältnis des K ü n s t l e r s zu den anderen