Table of Contents Table of Contents
Previous Page  2208 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 2208 / 9133 Next Page
Page Background

46

[30/31]

Welt aufgegangen, und er geht gleichsam als ein Freund und Ge-

zweiter des Waldesrauschens durch das Leben. Er verlegt in die Na-

tur des „Ernst’s Gewalt“ — eine sittliche Größe und Forderung, die

ihm beisteht und ihn durchs Leben begleitet.

Ich habe versucht, eine Reihe von Grundverhältnissen, die uns im

Leben entgegentreten, zum Beispiel dafür zu nehmen, welche Be-

wandtnis es mit dem geistigen Wachsen und Werden des Einzelnen

habe. Wenn der Individualismus behauptet, es geschehe aus sich

selbst heraus (Selbstgenugsamkeit und Selbstgeschaffenheit), so ergab

unsere Zergliederung das genaue Gegenteil: daß die T e i l -

n a h m e e i n e s a n d e r e n u n e r l ä ß l i c h f ü r d i e E n t -

s t e h u n g i r g e n d e i n e s G e i s t i g e n i m E i n z e l n e n

i s t.

Genauer besehen, hat nun diese Erkenntnis zwei Seiten. Es ist

nicht nur das Entstehen eines Geistigen, was an das Mitdabeisein

eines anderen Geistes gebunden ist, sondern auch das Bestehen

selbst. Der Geist des Einzelnen muß alsbald unsicher, schwankend,

verworren, erstickt werden und absterben, wenn eine Abtrennung

von aller anderen Geistigkeit erfolgt, wenn keinerlei Anteilnahme

an ihm mehr vorhanden ist. Nur die A n t e i l n a h m e e r -

h ä l t . Selbst wenn Beethoven die Neunte Symphonie schon fertig

gehabt hätte, er hätte nicht mehr den letzten Federstrich gemacht,

nicht mehr das letzte Tonzeichen hinzugesetzt, hätte er erkannt,

daß nie ein menschliches Ohr jenes gewaltige Wort, das er in ihr

spricht, vernehmen würde. (Es sei denn, daß er es um Gottes wil-

len, gleichsam in Gemeinschaft mit den Engeln und der Gottheit

vollendet hätte.) Er wäre in demselben Augenblick vernichtet zu- /

sammengesunken und hätte sein Werk als ein vergebliches ansehen

müssen. „All mein Empfinden stumm.“ Wir erkennen, daß die

G e z w e i u n g n i c h t n u r d i e G e b u r t s w e i s e d e s

m e n s c h l i c h e n G e i s t e s , s o n d e r n a u c h s e i n e B e -

s t a n d s w e i s e i s t .

Im gesellschaftsphilosophischen Schrifttum findet sich manche be-

deutende Formulierung, die es dem Neuling wie dem Forscher er-

leichtert, die universalistische Grundauffassung, wie sie in den vor-

getragenen Gedanken zum Ausdrucke kam, klar zu erfassen. Da ist

zuerst der Ausspruch F i c h t e s in seinem „Naturrecht“: „Wenn