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und edle Menschenwürde zuzuerkennen, es heißt mit einem Worte
nicht: Gleichheit.
Die Erfahrung zeigt überall die größte Ungleichheit in der geisti-
gen Natur der Menschen, in ihren gesellschaftlichen Verrichtungen,
in jedem Zeitabschnitte ihrer Entwicklung, in der Höhe ihres Kön-
nens und Wollens. Mutter und Kind, Lehrer und Schüler, Meister
und Lehrling, Forscher und Nachfolger, Künstler und Betrachter,
Schauspieler und Zuhörer, Richter und Gerichtete, Ingenieur und
Arbeiter, Gute und Böse, Heilige und Laien, Weise und Banausen
— alle diese Gegensätze, Abstufungen, Verrichtungen der Unglei-
chen bauen und bilden die menschliche Gesellschaft, den Staat, die
Wirtschaft, die Kunst, die Sittlichkeit, alle überindividuellen Lebens-
mächte. Überall sehen wir durch Ungleichheit, durch die von ihr
bedingte Führung und Nachfolge, durch die von ihr bedingte Glie-
derung und Entsprechung die menschlichen Lebensformen bestimmt.
Daß die Erfahrung innere und äußere Ungleichheit in Millionen
Abschattierungen zeigt, leugnet ja wohl niemand. Aber die geheim
oder offen geäußerte Meinung der Verfechter der Gleichheit ist
dabei: daß in Zukunft durch die Vervollkommnung der Erziehung,
durch die Verallgemeinerung der höchsten Bildung alle Menschen
auf eine gewaltige, ja auf die gleiche geistige und sittliche Höhe ge-
bracht werden könnten. Es muß offen gesagt werden, daß diese
Meinung von der „unbegrenzten Vervollkommnungsmöglichkeit
der Einzelnen“ nichts als unklare Schwärmerei ist, die nur ernst
genommen werden kann von Menschen, welche in die Tiefen der
menschlichen Seele keinen Blick getan haben, welche das mensch-
liche Herz weder in seinen Schwächen, noch in seiner Größe ken-
nen, und dem wilden Wolfe des menschlichen Geschickes eine dünne
Wassersuppe zum Fraße bieten möchten; von Menschen, welche
auch das Grundgesetz des Seins, das sich in Gegensätzen ergeht,
nicht ahnen. Gegen solche Utopien Worte zu verschwenden, wäre
müßig.
Eine weitere, nicht minder entscheidende Überlegung erblicke ich
aber in der Prüfung der Frage, wieweit denn Gleichheit in Recht
und Wirtschaft praktisch überhaupt durchführbar sei. Zunächst die
R e c h t s g l e i c h h e i t . Welche großen Anstrengungen auch die
Demokratien aller Zeiten (von Athen, wo Beamtenstellen ausgelost
wurden, bis zum heutigen Amerika) machten, um Rechtsgleichheit