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A. Die G l e i c h h e i t a l s s o z i o l o g i s c h e r G r u n d -

b e g r i f f b e t r a c h t e t

Zuerst muß gesagt werden, daß Gleichheit kein universalistischer

Begriff sein kann, wofür er doch so oft genommen wird, als der

„Gipfel der Gerechtigkeit“. Denn der universalistische Gerechtig-

keitsbegriff verlangt grundsätzlich die Ungleichheit, indem er jedem

die ihm im Ganzen angemessene, daher verschiedene Stellung zuteilt

(zuteilende, distribuierende Gerechtigkeit)

1

. Auch muß jedes Ganze,

rein baulich angeschaut, notwendig aus unterschiedlichen (differen-

zierten) Teilen bestehen

2

. Breiige Gleichartigkeit, Homogenität

gibt es in keinem Organismus. Das H o m o g e n e i s t n i c h t

o r g a n i s c h , d a s O r g a n i s c h e i s t n i c h t h o m o g e n .

Andererseits ist der Begriff der Gleichheit auch nicht schlechthin

individualistisch; denn das Fürsichsein des Einzelnen verlangt zu-

nächst weder Gleichheit, noch Ungleichheit mit den anderen, son-

dern eben nur Fürsichsein. Anarchistisch und machiavellistisch er-

faßt, erweist sich aber Fürsichsein sogar als tatsächliche Ungleichheit;

vom naturrechtlichen Standpunkte aus allerdings liegt in der Tat-

sache der gemeinsamen Bindung an den Urvertrag ein Stück Gleich-

heit: Gleiche Rechte werden im Urvertrag abgetreten; durch gleiche

Verzichte auf unbeschränkte eigene Freiheit wird der Staat errichtet.

Gleichheit ist in Wahrheit weder ein individualistischer noch uni-

versalistischer, sondern ein Mischbegriff. Inwiefern enthält er nun

die einen wie die anderen Bestandteile?

Individualistisch zuerst ist der allgemeine Grundzug des Gleich-

heitsbegriffes, denn Gleichheit heißt ja: Alle sollen gleich f r e i

sein, niemand soll weniger frei sein. Freiheit aber ist der individua-

listische Grund- und Urbegriff.

Universalistisch hingegen wird der Einzelne nicht als Einzelner,

sondern in seiner Eingliederung gedacht. Sofern „Gleichheit“ also

auf den Verband, auf das Ganze sich bezieht, hat sie eine universa-

listische Seite.

Individualistisch wieder ist dagegen gerade das an dieser Einglie-

derung, daß das V e r s c h i e d e n e im Ganzen gleichgestellt wird,

daß also nicht die Erfordernisse der Ganzheit maßgebend sind (wo-

1

Siehe oben S. 57.

2

Siehe oben S. 51

f