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nach Verschiedenes verschieden gelte), sondern über diese grund-
sätzlich hinweggegangen wird. Die Ganzheit verlangt Ungleichheit,
da aus homogenen Bestandteilen nie ein Ganzes werden kann. S o
s e h e n w i r d e n G l e i c h h e i t s b e g r i f f z u m B e g r i f f e
d e s G a n z e n a l s e i n e s b l o ß e n K o n g l o m e r a t e s
f ü h r e n , d a s h e i ß t e i n e n i n d i v i d u a l i s t i s c h e n
B e g r i f f v o n „ G a n z h e i t “ , e i n e S c h e i n g a n z h e i t
e r g e b e n . Gleichheit verstößt, vom universalistischen Standpunkt
aus gesehen, gegen die Gesetze der Vergemeinschaftung.
Individualistisch ist endlich folgendes, vielleicht wichtigste, jeden-
falls merkwürdigste Bestimmungsstück des Begriffes der Gleichheit:
„Gleichheit der Verschiedenen“ enthält unleugbar ein Moment der
Unterwerfung wie der Emporhebung zugleich in sich. Die Tieferen
werden, um gleich zu sein, auf den gleichen Höhenstand heraufgezo-
gen, die Höheren zu diesem heruntergezogen. Nehmen wir als Bei-
spiel das allgemeine Stimmrecht. Gemessen / etwa am mittleren, po-
litisch wenigstens teilweise unterrichteten Staatsbürger, z. B. am
Handwerker oder gehobenen Arbeiter, wird die Stimme des poli-
tisch gänzlich unbelehrten ländlichen Dienstmädchens offenbar über-
wertet, sie wird künstlich auf die mittlere Höhe heraufgezogen;
andererseits gilt auch die Stimme des akademisch Gebildeten, des
politischen Führers, des Sachverständigen und Großunternehmers,
des Gelehrten, des Dichters, nicht mehr, sie wird daher entwertet,
wird gewaltsam auf das mittlere Maß heruntergedrückt. Gleichheit
enthält sohin notwendig ein Stück Unterwerfung und ist in diesem
Sinne Machiavellismus. (Darunter verstanden wir ja jene indivi-
dualistische Auffassung, die dem Stärkeren die Herrschaft über den
Schwächeren zubilligt.) Die Gleichheit ist aber eine besondere Abart
des Machiavellismus. Sie ist die Herrschaft des Mittleren, Schlechte-
ren, der den Schwächsten zu sich herauf, den Stärkeren herabzieht.
Sofern dabei durchgängig die große Menge die Höheren herabzieht,
in der großen Menge jedoch abermals der Abschaum zur Herrschaft
arxens
Lehre
und
Person)
Persönlichkeit
zu
i c h e n ,
a b e r
e i n h e i t -
N i e d e r e n ü b e r d e n H ö h e r e n z u b e z e i c h n e n
1
.
1
Von Platon bis zum heutigen Schrifttum ist dieser Hauptschaden der Gleich-
heit immer wieder erkannt worden. — Vgl. unten S. 123 f.