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will, noch aus Handel, Geldleihe und Kriegswesen, wie Lujo Bren-

tano will, noch auch aus einer religiösen Sondereinstellung, wie Max

Weber will; denn die Kapitalansammlung durch Rente (usw.) setzt

den Kapitalismus schon voraus, die Anwendung des religiösen Dog-

mas im kapitalistischen Sinne ebenso; sondern zuletzt allein aus dem

Ideenumschwunge seit dem Niedergang der Hochscholastik — dem

Nominalismus, dem Naturrecht — aus einem rein geistigen Grunde!

Der Kapitalismus ist seiner geistigen Natur nach, wie sich nun

von allen Seiten zeigt, die Sintflut der Äußerlichkeit, die dadurch

erzeugt wurde, daß der Mensch seine Kräfte von aller ideellen

Bindung frei macht, sein Geistiges in mächtigste Außenwirkung ver-

wandelt — deshalb, weil er innerlich verarmt, einsam, durch Bin-

dung und Verbindung ungestützt und unbefeuert ist. In dem Augen-

blick, in welchem sich der Einzelne von der intelligiblen Ordnung

und dem großen, geistigen Zusammenhange lossagt, bleibt ihm, da

er den Sieg in Händen zu haben glaubt, nichts mehr übrig. Er gleicht

dem Ixion, der statt der Göttin eine Wolke umarmt. Das einzelne

Genie und jeder, dem die Gabe der Entsagung wurde, kann sich ja

hoch über diese Gefahr hinwegsetzen, aber die Menge verarmt, das

geistige Leben im Ganzen läßt nach, veräußerlicht sich! Die Unter-

drückung des Innerlichen durch den Individualismus bedeutet dann

weiter, indem sie die geschilderte Entfesselung aller Kräfte für

Äußeres bewirkt: Aufschwung von Technik, Wirtschaft, Verkehr,

äußeren Fortschritt in jedem Sinne, ja in der Wissenschaft selbst,

indem sie durchwegs Naturwissenschaft wird

1

.

/

Dem Individualismus ist Kultur vornehmlich Zivilisation (wenn

man unter der ersteren das Geistige, unter der letzteren das Äußere,

das Mittelhafte des Lebens versteht). Der I n d i v i d u a l i s m u s

i s t k u l t u r f e i n d l i c h , d a e r d i e G e i s t i g k e i t r e d u -

z i e r t u n d d i e Z i v i l i s a t i o n f ö r d e r t . Der Individualist,

der sich aus sich selbst heraus bestimmt, will etwas sein, ist es aber

noch nicht; und weil er nichts ist, daher die Wendung und Wirkung

1

Nicht die Fortschritte der Naturwissenschaft haben die Technik erzeugt,

wie wir oben, S. 88 f., schon berührten, sondern das nach außen gerichtete Leben;

und die technischen Bestrebungen haben sich auf die Naturwissenschaften als

Mittel geworfen, welches dem äußeren Leben wieder Mittel gibt. Die atomi-

stische Gastheorie war noch nicht da, als man schon die Dampfmaschine erfun-

den hatte.