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nach außen. Er b l e i b t i m m e r i m S t a n d e d e s W o l l e n s

u n d e r r e i c h t n i e m a l s d a s Z i e l ; daher die nie endende

Energieentfaltung in den individualistischen Zeitaltern, daher mehr

und mehr Zerstörung der innersten Grundlagen alles Geistigen. Im

Individualismus liegt viel Tatkraft und Festwilligkeit, aber nichts an

Genie; im Individualismus liegt, Großes zu tun, aber um so weniger

zu sein.

So entsteht ein Verhältnis des Geistigen und Materiellen, das man

die g o l d e n e W a a g e d e r G e s c h i c h t e nennen kann.

In der einen Schale ist das Geistige, das intelligible Reich — vom

Individualismus geschmälert, zerstört. Was an Reichtum von Inner-

lichkeit Jahrhunderte ausgebildet haben, wird verschleudert oder

auf einen kümmerlichen Rationalismus herabgemindert. Auf der

anderen Schale lastet die Äußerlichkeit in Wirtschaft, Technik, Ver-

kehr samt den übrigen Inbegriffen von Mitteln des Daseins. Die

Äußerlichkeit wächst auf und wuchert und wird groß. Der Einzelne

unterwirft sich, von keiner Zunft und Ordnung eingeschränkt, weit-

hin die Natur mit ihren geheimsten Kräften. Alles das zusammen

zeitigt den unerhörten Niederbruch aller Kulturwerte, und den un-

erhörten Aufstieg aller Zivilisationswerte. So bewährt sich die gol-

dene Waage der Geschichte. Sie wiegt mehr Äußeres zu, wenn man

auf Inneres verzichtet, sie gibt mehr Geist, wenn man das Äußere

hinter sich läßt.

II.

Der universalistische Ideenkreis und sein Kulturinhalt

Die zweite große Wurzel unseres heutigen Zeitgeistes liegt in der

universalistischen Gesellschafts- und Staatsauffassung. Uns hat das

Schicksal gegeben, nicht nur individualistische, sondern auch univer-

salistische Vorfahren zu haben. Es glaube niemand, daß es sich dabei

um tote Lehrbegriffe, um dumpfe Stubengelehrsamkeit handle. Der

Gegensatz dieser Ideen erfüllt den Kampf der Geschichte, kehrt im-

mer wieder, und in ihm erzeugt sich vornehmlich, was den Gang der

Geschichte bestimmt.

Kaum war die französische Revolution in die Welt gekommen,

so entstand ein Ideenkreis, der die erste, wenn auch einstweilen

noch begrenzte Gegenwirkung gegen die individualistische Idee dar-

stellt. Es ist der Ideenkreis der Romantik, die keine bloße Kunst-