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schule, sondern eine Lebensrichtung, eine / Kulturbewegung war.

An jenes übersinnliche Element in unserem Geiste anknüpfend, das

Kant als „Apriori“ rein kategorial, rein erkenntnistheoretisch, nach-

wies, haben Fichte, Schelling, Hegel, Baader, Novalis, die Brüder

Schlegel, Adam Müller, Görres, Schleiermacher, Krause und andere

das Übersinnliche in die Geistigkeit wieder eingeführt und den Ra-

tionalismus überwunden. Auf solchem Wege hat zuerst Fichte, ha-

ben dann namentlich Schelling, Adam Müller, Hegel, Baader dem

Uberindividuellen in der Gesellschafts-, Staats-, Rechts- und Wirt-

schaftslehre seinen Platz eingeräumt und die individualistische Ge-

sellschaftserklärung überwunden. Mit leidenschaftlicher Tat- und

Denkerkraft vollführte Fichte als erster diese Wendung und hat

damit geleistet, was an den Grenzen der menschlichen Kraft steht,

hat gleichsam am eigenen Schopfe sich aus dem Sumpf gezogen.

Sein Gedankengang war zunächst rein erkenntnistheoretisch folgen-

der: Wenn man das Denken des Einzelnen untersucht, wird man

notwendig auf das Denken eines anderen hingewiesen, um den ersten

erklären zu können. Damit war der Kernbegriff des Individualismus,

die geistige Selbstgenugsamkeit und Selbstbestimmtheit angegrif-

fen und zuletzt die Ganzheit an seine Stelle gesetzt. Nicht mehr

die Selbsterzeugung des Individuums, nicht mehr die Kluft zwischen

Geist und Geist ist es jetzt, was das Bild unseres innersten Lebens

bestimmt, sondern die Verbindung von Geist zu Geist.

Wir haben früher die Wesenheit und die Fragen der universalisti-

schen Auffassung hinreichend besprochen

1

. Jetzt gilt es nur, uns die

Veränderung vor Augen zu führen, welche die Einführung eines

universalistischen Ideenkreises, zuerst der Romantik, in den inner-

sten Herzkammern des Zeitgeistes hervorrufen mußte. S o b a l d

d i e G a n z h e i t w i e d e r d i e e r s t e W i r k l i c h k e i t

w i r d , statt des Einzelnen, tritt auch notwendig ein überindivi-

duelles Reich, ein Reich intelligibler Werte, in das gesellschaftliche

und geistige Leben bestimmend ein. Nehmen wir als Beispiel wie-

der die religiöse Idee. Sie fordert die Religionsgemeinde. Denn die

Wirklichwerdung (Aktualisierung) des religiösen Individuums wird

jetzt nicht so vorgestellt, wie vom Individualismus, daß ich selbst

der Mann wäre, der den Gedanken und das Begreifen Gottes aus

1

Siehe oben S. 35 ff.