Table of Contents Table of Contents
Previous Page  2264 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 2264 / 9133 Next Page
Page Background

102

[73/74]

Grundrichtung, und vor allem auch: Nicht das Wissen ist mehr das

alleinherrschende Element in den geistigen Inhalten der Kultur; nun

treten alle anderen Elemente des menschlichen Geistes dem Wissen

zur Seite, und das Übersinnliche herrscht über allen. J e d e s u n i -

v e r s a l i s t i s c h e Z e i t a l t e r i s t e i n Z e i t a l t e r d e r

E n t r a t i o n a l i s i e r u n g .

Und wieder sehen wir nun die g o l d e n e W a a g e d e r G e -

s c h i c h t e streng und unerbittlich den universalistischen Zeit-

altern ihren angemessenen Teil zuwägen: Das Äußere tritt zurück,

wie das Innere zunimmt. Der auf Innerlichkeit hintreibende

Mensch, der in dem intelligiblen Reiche der Ideen sich bildende

menschliche Geist kann seine Tatkraft nicht voll dem Äußeren zu-

wenden. Er schätzt es geringer ein, kann sich ihm nicht mehr ganz

hingeben. Daher die Bindung dieses Äußeren, daher die öffentliche

Regelung durch Belehnung, Verzünftigung, Vergemeindung, Ver-

genossenschaftung, Vergesellschaftung oder Organisierung in irgend-

einer Form. Der Mensch wird nun, sofern er wirtschaftet, einge-

ordnet in eine Organisation, und daraus folgt die grundlegende Tat-

sache: Er wird Organ dieser Organisation; und das bedeutet zuletzt:

die s t ä n d i s c h e W i r t s c h a f t s t a t t d e s K a p i t a l i s -

m u s ! / Wird aber der Einzelne Organ einer genossenschaftlichen

Ganzheit, so wird er damit wieder festgelegt in seinem wirtschaft-

lichen Handeln; Initiative, schöpferischer Schwung des Einzelnen

wird beschränkt, die wirtschaftliche Tätigkeit selbst beschnitten. Es

folgt daraus eine verhältnismäßige Beständigkeit und Gleichför-

migkeit der Wirtschaft, und, trotz vieler produktiver Vorteile, ein

verhältnismäßiges Stillstehen des technischen Fortschrittes. Das, was

wir Heutigen am Kapitalismus so bewundern lernten, die unge-

hemmt vorwärts strebende Entfaltung der produktiven Kräfte, der

nie endende wirtschaftliche Fortschritt, kann nicht annähernd in

demselben Maße weitergehen! Der Mensch ist nicht mehr derselbe.

Wer das Äußere bändigt und bindet, kann es nicht zugleich ins Un-

begrenzte entwickeln, kultivieren wollen. Wir werden in späterem

Zusammenhange

1

noch genauer nachweisen, wie die Meinung der

heutigen sozialistischen Politiker gänzlich unhaltbar ist, man könne

durch Prämienlohn-Verfahren und ähnliche Mittelchen dieselbe Lei-

1

Siehe unten S. 198 f.