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tümer hindurch. Aber heute sind wir erst noch am Anfang dieser

Gegenbewegung. Unsere Philosophie, unsere Wissenschaften, unsere

Poesie, unsere Gesellschafts-, Staats- und Sittenlehre insbesondere

haben für eine volle Gegenrenaissance noch nicht die nötigen Hilfs-

mittel ausgebildet, und an Religiosität fehlt es zumal. Die Roman-

tik, die ein gewaltiger Anfang zu alledem war, ist unserer heutigen

Zeitbildung innerlich entglitten (sie selber kam zu früh, um ge-

schichtlich etwas auszurichten), ein Ersatz ist noch nicht da — so

muß die Zeit sich erst noch durch Irrtümer belehren lassen, muß

ihren rechten Weg noch suchen. Die Geburtsstunde des rechten,

zielbewußten, universalistischen Denkens muß erst noch kommen.

„Sorget, was ihr jeder schafft!“ möchte man da mit Meister Ecke-

hart unseren Zeitgenossen zurufen.

§ 18. Kritik des Liberalismus und der Demokratie

Die Krise des Individualismus ist da; sie ist politisch da, insofern

der heutigen Demokratie gleichzeitig mit ihrem letzten Siegeslaufe

der auf Diktatur oder wenigstens auf Sonderrechte hinauslaufende

„Rätegedanke“ entgegengesetzt wird und sofern im politischen

Leben ein geradezu gänzlicher Zusammenbruch der eigentlichen

demokratischen Parteien stattgefunden hat

1

, nachdem schon lange

eine Abbröckelung vorhergegangen war; sie ist wirtschaftlich da,

insofern „Sozialisierung“ und Kommunismus gegen den Kapitalis-

mus drohend ihr Haupt erheben.

Liberalismus und Demokratie fassen wir als die politischen Aus-

drucksformen des naturrechtlichen Individualismus auf. Liberalis-

mus und Demokratie unterscheiden sich nur stufenweise vonein-

ander. Den Liberalismus kann man als die gemäßigte Formel des

Naturrechts betrachten, die sich auf die konstitutionelle Staatsform

einrichtet; während die Demokratie (von δημος, das Volk) gründ-

licher als der Liberalismus die gleiche Herrschaft aller verwirklicht,

Volksherrschaft möglichst unmittelbar eintreten läßt und damit der

1

Zusatz zur dritten Auflage. Mittlerweile sind der Faschismus in Italien,

mancherlei Formen der „Diktatur“ (Spanien, Ungarn), sowie Strömungen, die

darauf hindrängen, aufgetreten. Die allgemeine Ausbreitung des F ü h r e r -

g e d a n k e n s verrät die wachsende Angst vor dem Chaos, die wachsende

Sehnsucht nach Ordnung, Bindung, Autorität.