[81/82]
113
Durch solche organisatorische Handlungen werden also geistige Ge-
zweiungsvorgänge veranlaßt, h e r v o r g e r e i z t . Eine Gewerk-
schaft ferner ist die Organisation für gemeinsames Handeln. Sie
trifft Vorsorge für dieses Handeln und bestimmt es selber, z. B.
durch Ansammlung eines Streikschatzes wie durch planmäßige Ver-
wendung desselben. Im ersten Falle haben wir vor uns: Anhören
von Vorträgen, Wechselrede, Gedankenaustausch, also Gemein-
schaftsbildung; im zweiten Falle haben wir vor uns: Gemeinsames
Handeln der Arbeiter, z. B. als „Streik“, dessen planmäßig geformte
und vorbereitete Gestalt durch die „Gewerkschaft“ geschah.
Der Staat ist nun nichts anderes als die ideelle Gesamtheit aller
Organisationen überhaupt, die höhere Einheit aller Einzelorganisa-
tionen des Lebens, weshalb ihn Adam Müller die „Totalität der
menschlichen Angelegenheiten“ nannte
1
.
/
Überlegt man dies, so zeigt sich deutlich, daß „Organisation“ für
die individualistische und die universalistische Auffassung nicht das
gleiche sein kann. Individualistisch kann Organisation zuletzt im-
mer nur das schon als g e g e b e n gedachte Handeln vieler Einzelner
sein, kann sie nur die ä u ß e r e n Beziehungen der Individuen zu-
einander betreffen. Da jedes Individuum im Grunde geistig autark
ist, so kann organisatorisch nicht ein Höchstmaß geistiger Verbin-
dung v e r a n l a ß t werden, sondern umgekehrt: Die Organisation
soll nur die äußeren Zusammenstöße und Reibungen des Handelns
der Individuen ausschalten; das „Recht“, als der Inbegriff aller or-
ganisatorischen Normen, soll ja (wie wir oben S. 30 sahen) für die
Einzelheitslehre ein Mindestbegriff sein; „Recht“ soll das Höchst-
maß an Freiheit, das Mindestmaß an Regelung, an Staatseinmischung
bieten; „Recht“ soll den Staat und durch ihn das Gesamtzusammen-
leben so organisieren, daß möglichst wenig Organisation, möglichst
viel Einzelfreiheit da ist. Das Ergebnis ist: Im i n d i v i d u a l i -
s t i s c h e n S i n n e g e h t „ O r g a n i s a t i o n “ a u f d i e
1
Zusatz zur dritten Auflage. Das ist der Staat in seiner Eigenschaft als
H ö c h s t s t a n d , das heißt als die oberste, leitende Organisation unter allen
anderen (ständischen) Organisationen. Als a r t e i g e n e r S t a n d dagegen hat
der Staat auch arteigene begrenzte Aufgaben („äußere Politik“, „innere Politik“)
und ist dann dasjenige organisatorische Gebilde, welches diese Aufgaben durch-
führen soll. — Vgl. unten S. 256 ff. und mein Buch: Gesellschaftslehre, 3. Aufl.,
Leipzig 1930, S. 499 ff.; jetzt: 4. Aufl., Graz 1968, S. 591 ff. (= Othmar Spann
Gesamtausgabe, Bd 4).
8 Spann,5