Table of Contents Table of Contents
Previous Page  2277 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 2277 / 9133 Next Page
Page Background

[83]

115

Wir haben uns klar gemacht, was Organisation ist, welche ver-

schiedene Bedeutung sie für Individualismus und Universalismus hat.

Noch bleibt die wichtigste Frage übrig, wie Organisation in ihrem

inneren Gefüge beschaffen sei. Die Antwort der Gesellschaftslehre

lautet: Das Gefüge jeder Organisation ist Über- und Unterordnung;

nur durch Uber- und Unterordnung der Bestandteile ist Organi-

sation möglich. Es ist klar, daß z. B. die gemeinsame wirtschaftliche

Tätigkeit einer Fabrik nur durch Über- und Unterordnung der ar-

beitsteilig ineinandergefügten Bestandteile des Erzeugungsvorganges

möglich ist. Es muß daher auch eine Herrschergewalt (oberste Norm)

da sein, welche die Über- und Unterordnung gewährleistet; mag

diese Herrschergewalt nun (kapitalistisch) der Fabrikherr sein, oder

(kommunistisch) die vom General-Oberdirektor der Volkswirtschaft

eingesetzte Leitung; mag sie monarchisch oder kollegial gebildet sein.

Hier zeigt sich die Grundfrage aller Politik: daß eine Herrscher-

gewalt, daß Führung nötig ist, weil Uber- und Unterordnung die

Daseins- und Lebensform aller Art von „Organisation“ darstellt.

Daß eine Herrschergewalt für jede Organisation nötig ist, schließt

zwei Sonderfragen in sich, die aber innig Zusammenhängen: (1) Die

Frage der Staatsform, genauer gesagt, der Regierungs- oder Leitungs-

form aller Organisation überhaupt; (2) die Frage der Bestellungs-

weise der Herrschergewalt (der Leitung, Regierung). Die möglichen

Leitungsformen sind nun, wie bekannt: Einer als der Herrscher

(monarchische Verfassung); wenige Bevorzugte als Herrscher (Ari-

stokratie); viele oder alle als Herrscher (Demokratie). Diese drei

Grundformen ermöglichen dann verschiedene Abwandlungen und

Zwischenformen, die aber hier nicht in Betracht kommen. Es ist

deutlich, daß die Bestellungsarten der Herrschergewalt mit der Lei-

tungsform selbst innig Zusammenhängen.

I n d i v i d u a l i s t i s c h ist der Grundgedanke, daß die Herr-

schergewalt ihren Ursprung in allen organisierten Mitgliedern habe,

sich daher von allen in gleicher Weise ableite. (Der „Urvertrag“ des

Naturrechtes wird durch den Willen aller Einzelnen begründet.) Die-

ser Gedanke ist ausschlaggebend für Liberalismus und Demokratie.

Die ursprünglichen Herrscher, die Bestellenden, sind nach individua-

listischer Auffassung a l l e Mitglieder der Organisation, das heißt

des Staates, also alle Bürger „Wähler“ (daher „ V o l k s s o u v e -

r ä n i t ä t “). Die Herrschergewalt ist darum eine solche, in der alle

8*