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drohlichen gemacht hat, genauer zu betrachten. Es kommt fast alles
darauf an, diese heute entscheidend wichtige Lehre genauer kennen-
zulernen und — ihre eigene Krise ebenso zu verstehen, / wie die
Krise des Kapitalismus selbst. Denn, so grotesk es klingen mag, das
gehört nun einmal zu den Merkmalen unseres Zeitgeistes, daß diese
Lehre, die den Kapitalismus aus dem Sattel heben will, in sich selbst
wieder eine schwere Krise trägt. Es wird sich auch da wieder zeigen,
daß es überall eine individualistische Krise ist, die das politische
Ideenleben, die das gesamte geistige Leben unserer Zeit durchmacht.
§ 20. Der Marxismus
Darstellung des Marxismus als Wirtschaftslehre,
Geschichtsphilosophie und Staatslehre
I. Die Wirtschaftstheorie des Marxismus
Was die Gesamtlehre Marxens als wissenschaftliches Gebäude er-
scheinen ließ, ist hauptsächlich seine Wirtschaftstheorie, in der er,
auf Ricardo und Smith aufbauend, ein Begriffsgebäude von großem
Scharfsinn und großer Abgezogenheit errichtete, das, obwohl es ein
streng wissenschaftliches Äußeres hat und eher einen logistischen als
parteipolitischen Eindruck macht, dennoch die vornehmste Stütze
der politischen Werbung wurde. Im folgenden kann es sich nicht
um eine erschöpfende Abhandlung der Lehre, sondern nur um eine
Darstellung der wesentlichsten Punkte handeln.
A. G u t , R e i c h t u m , W e r t
An der Spitze der marxistischen Lehre stehen die Begriffe des
Reichtums und des Gutes. Ein wirtschaftliches Gut ist ihm nur das
äußere „Ding“, das heißt das stoffliche Gut oder Sachgut („Ware“).
„Reichtum“ sodann ist ihm eine Summe von stofflichen Waren.
Marx beginnt sein Hauptwerk, das „Kapital“, mit den Worten:
„Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Pro-
duktionsweise herrscht, erscheint als eine ,ungeheure Warensamm-
lung“, die einzelne Ware als seine ,Elementarform'“.
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Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie, Bd 1, Hamburg
1867, S. 1. Den Unterschied von „Gut“ und „Ware“ bei Marx übergehen wir als
unwesentlich.