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einen Materialisten gemacht habe. Wird Marx jedoch als Persönlich-

keit und seine Lehre als Kulturmacht betrachtet — dann liegt ge-

rade hier das Entscheidende. Der Marxismus ist als Verrat an der

Wahrheit entstanden, als Sturz des Erzengels, als Abfall von dem

erhabenen Kant-Fichte-Hegelschen Idealismus zu rohem Positivis-

mus und Materialismus. Marx ist aus dem Paradies des großen deut-

schen Idealismus herausgegangen und hat sich auf den Feuerbach-

Büchner-Darwinischen Misthaufen gesetzt. Marx hat in Wahrheit

von Hegel nichts gelernt, er hat Hegel nie verstanden, er ist der

karge Aufklärer und Mechanist von der vierschrötigen Sorte geblie-

ben. Zu einem wahrhaft idealistischen „Sozialismus“, wie wir ihn

bei Platon und Fichte (selbst zum Teil bei Lassalle) finden, hat sich

Marx nie erhoben. Jener wurde von dem Streben nach dem Großen

und der metaphysischen Erhebung des Lebens getragen; dieser ist

ideallos, äußerlich, individualistisch und materiell und hat die Ar-

beiterklasse Deutschlands aller höheren Geistigkeit des Lebens ent-

fremdet, sie mit dem Staate, dem Volkstum, der Überlieferung, der

Religion zerspalten und zerworfen.

Marx hat eine ungeheure Wirkung ausgeübt, aber er ist damit

doch kein geistiger Führer der Menschheit geworden. Seine Wir-

kung dankt er zuerst dem aufreizenden Zug seiner Lehre; dann

den schweren Schäden der Zeit, an die er sich hielt — der Marxis-

mus ist die Rache der Geschichte für die Entstehung des Proletaria-

tes; endlich der Maskierung des aufklärerisch-liberalen Grundele-

mentes durch Schein-Universalismus. In seiner Lehre war zugleich

der liberale und der reformatorische Grundzug der Zeit eingefan-

gen. D a r i n l a g p o l i t i s c h e W i r k u n g , a b e r g e i -

s t i g e W e r t e k o n n t e e r d e r M e n s c h h e i t n i c h t

s c h e n k e n . Als Fachmann gesehen kann er, gewissenhaft beur-

teilt, nicht einmal ein wahrhafter Kenner genannt werden; er ist

Dilettant in der Volkswirtschaftslehre wie in der Philosophie geblie-

ben, und mehr konnte er auch nicht werden, weil er, das muß offen

ausgesprochen werden, kein redlicher Denker war. Was er suchte,

waren politische Ziele, nicht die Wahrheit. Wer in der Philosophie

Materialist und Positivist, in der Gesellschaftslehre Mechanist, Um-

welttheoretiker und Rousseaulehrling, in / der Volkswirtschafts-

lehre logistischer Fortspinner Ricardos ist, den kann man wohl noch

als scharfsinnigen Mann, guten Stilisten und Politiker, aber unmög-