194
[139/140]
schaftlich richtig, als bei hohem Zinsfuß. Die Kapitalaufwendung,
die in einem bestimmten Lande, in einer Zeit, auf einer bestimmten
Wohlstandsstufe und bei einer bestimmten Bevölkerungsdichte wirt-
schaftlich richtig ist, kann im anderen, ärmeren Lande auf einer an-
deren Wohlstandsstufe und bei wachsender Bevölkerung schon wirt-
schaftlich unrichtig und unmöglich sein. Auch das Verhältnis von
Arbeitslohn und Kapitalpreis ist für die Maschinenanwendung we-
sentlich mitbestimmend. — Doch von allen diesen Überlegungen ist
bei Ballod nichts zu finden.
Hiermit hängt auf das engste der zweite, gleichfalls schon früher
berührte Grundfehler der Ballodischen Utopie zusammen:
1
die Vor-
aussetzung praktisch unbegrenzter Verfügung über Kapital. Ballod,
wie alle ähnlichen Verfasser, nehmen durchwegs Idealbetriebe an,
die mit der reichsten Kapitalausstattung bedacht sind. Ballod will in
kürzester Zeit die gesamten Erzeugungsanlagen der Volkswirtschaft
im Sinne höchster Kapitalanwendung umbauen, nicht nur ohne
nachzuweisen, woher so unendlich viel Kapital / kommen könne,
sondern auch ohne die in den Übergangszeiten fortgehende Bevöl-
kerungsvermehrung zu berücksichtigen, die doch beträchtliche Teile
des überschüssigen Kapitals nur zu dem Zwecke verschlingt, um die
Erziehungskosten und die Kosten für die Kapitalausstattung der
Zuwachsbevölkerung zu bestreiten. So sollen nach Ballod, um nur
ein Beispiel für viele herauszugreifen, zur Rationalisierung der
Landwirtschaft rund 250 000 Scheunen mit Glasdächern, über das
ganze Land verteilt, gebaut werden. Ballod berechnet die Preise
dieser Glasdächer trotzdem nur nach der vorher gegebenen Preis-
ebene. Aber woher soll soviel Glas kommen? Es müßten doch neue
Glasfabriken angelegt werden, um es zu erzeugen. Dabei müßten
zum Teil wieder neue, und zwar ungünstigere Standorte aufgesucht
werden. Die Rohstoffe würden dadurch teurer, kostbarer. Selbst
bei hinreichend vorhandenen Kapitalmengen wäre daher die Er-
zeugung der Glasdächer nur mit wesentlichen Aufschlägen möglich.
Aber nun die Kapitalmenge selber. Es handelt sich ja nicht nur um
die Möglichkeit, so viele Glasdächer zu erzeugen, sondern auch um
die zusätzlichen Fabrikanlagen, die zusätzlichen Maschinen und
Werkzeuge, die zusätzlichen Glasarbeiterhände, die zusätzlichen
1
Siehe oben S. 191.