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lich als gelehrten fachlichen Kenner gelten lassen. Die politische Ein-
stellung störte bei Marx die Wissenschaftlichkeit mehr als man ahnt.
Aus Haß P l a t t h e i t — so muß man dem Rachegeist Marx,
so muß man seiner Mehrwertlehre, Staatslehre, Geschichtslehre mit
Recht entgegenrufen. Selbst sein wissenschaftliches Werk, das „Ka-
pital", ist zugleich durch und durch eine politische Werbeschrift.
Seine Schriften haben überall, unbewußt und bewußt, die Wissen-
schaft zugunsten politischer Zwecke umgebogen.
Man m ö g e e n d l i c h e i n m a l a u f h ö r e n , v o m M a r -
x i s m u s e r n s t h a f t a l s v o n e i n e m w i s s e n s c h a f t -
l i c h e n L e h r g e b ä u d e z u r e d e n .
Wenn man aber auch die Wissenschaftlichkeit als Merkzeichen der
wahrhaft schöpferischen Natur preisgibt, so bleibt als das absolute
Hindernis der Genialität zurück, was sich bei Marx, wie gezeigt, nur
allzu deutlich findet: der Materialismus. Der Materialist, der Skep-
tiker ist nie genial, denn er ist kalten Herzens, er fühlt nicht die
innere Größe der Dinge, er vermag daher das Unerläßliche, die
Ehrfurcht vor dem Wirklichen, nicht zu erringen; er hat der
Menschheit nichts zu sagen. Wer die Menschheit führen will, für den
muß Eichendorffs großes Wort gelten, das er an Fouqué gerichtet
hat:
Dir wächst dein Herz noch bei der Wälder Sausen,
Dich rühren noch die wilden Riesenworte ...
Dann allein, wenn, die Seele des Menschen eine metaphysische
Grundempfindung erfüllt, ist die Voraussetzung der Genialität ge-
geben; dann allein wird er nicht nur anklagen, sondern auch be-
jahen, nicht nur mitleiden, sondern auch richten, nicht nur verwer-
fen, sondern auch auswählen und aufbauen. So kann Marx zuletzt
nicht einmal als Denker bestehen, obzwar sein Scharfsinn, seine lo-
gistische Begabung unangetastet bleibt; denn vom Denken im höch-
sten Sinn gilt das Wort des Aristoteles: Daß nicht das Denken als
solches schon, sondern erst das Denken als Denken des Höchsten
das Beste ist
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Aristoteles: Metaphysik, XII, deutsch von Eugen Rolfes, 3. Aufl., Leipzig
1928 (= Philosophische Bibliothek, Bd 2 b—3 b).