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haltung der Massen von heute und für die Notwendigkeit lebens-
langer Arbeitsleistung.
Allen Aufstellungen und Berechnungen Ballods zu folgen, wäre
für solche offenkundige Verirrung zuviel Ehre und würde hier auch
zu weit abseits führen. Uns kümmern nur die grundsätzlichen Feh-
ler, weil sie für alle Utopisten kennzeichnend sind.
Als die bezeichnendsten und wichtigsten Einzelheiten kommen folgende in
Betracht: Ballod will nach einer nur fünfjährigen Übergangszeit (Popper-Lynkeus
nach längerem Übergang) die Vollsozialisierung auf Grund einer Ablösung der
privaten Erzeugungsmittel durchführen und dann, wie gesagt, mit einer Arbeits-
pflicht von 6 Jahren (bzw. 5
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Jahren) auskommen. Das ungeheure Kapital für
diese Ablösung soll aus der erhöhten Ergiebigkeit der kollektivistischen Erzeu-
gungsweise aufgebracht werden. Nicht genug an dem, diese Erzeugungsweise soll
auch eine unendlich kapitalreichere sein als bisher. Es sollen z. B. 36 000 Zen-
tralwirtschaftshöfe auf dem Lande im größten Stile neu erbaut werden, daneben
4 bis 5 Millionen Kleinhäuser und Villenkolonien mit elektrischen Leitungen
und Gasröhrenanschlüssen — dies über das ganze Land zerstreut! Die Schul-
pflicht soll bis zum 16. Jahre verlängert werden. Wo aber für jene ungeheuren
Gebäudevermehrungen auch nur die zusätzlichen (neuen) Erzeugungsmittel her-
kommen sollen, wo ferner die Lehrmittelvermehrungen, wo überhaupt alle diese
n e u e n Kapitalmengen herkommen sollen, das stellt Ballod bei seinem Wirt-
schaftsplane teils gar nicht, teils höchst mangelhaft in Rechnung. In der Land-
wirtschaft nimmt Ballod etwa doppelte Erträge gegenüber der Vorkriegszeit an.
— Erträge, von denen fachliche Autoritäten erklärten, daß sie nur als Spitzen-
erträge in der Praxis anzusehen seien und nur beim Zusammenwirken besonders
günstiger Umstände erreicht werden könnten. (Auch die abgeänderte Norfolker
Fruchtfolge, nach der Ballod seine Erträgnisse berechnete, wurde mir von Fach-
gelehrten als sehr mangelhaft bezeichnet, weil der Winterung nur eine vermin-
derte Sommerung gegenübergestellt ist, die beiden einander jedoch unbedingt
ergänzen müssen, und weil außerdem wegen zu häufiger Wiederkehr des Klees
Kleemüdigkeit eintritt.)
Was soll man ferner zur restlosen Durchführung der Maschinenarbeit in der
Landwirtschaft unter gänzlicher Abschaffung des Zugviehes sagen, da doch be-
kanntlich nicht in jedem Gelände alle Maschinen rationell anwendbar sind? Oder
was soll man gar dazu sagen, wenn Ballod behauptet, das Land Niederösterreich
vermöge bei einer Einrichtung der / Landwirtschaft nach seinem Plane seine
ganze Bevölkerung einschließlich jener Wiens allein zu ernähren? Ob Gebirge,
Höhenlagen, Bodenbeschaffenheit, Geländegestaltung seine Ertragsziffern ermög-
lichen, macht ihm nicht viel Kopfzerbrechen. Er tut diese Kleinigkeit mit den
Worten ab: „Das Gebirge stört hier nicht allzu sehr!“ Wir Wiener wissen
aber nur zu gut, daß außer dem Tullner Feld und dem Wiener Becken der
allergrößte Teil Niederösterreichs gebirgig und für ganz intensiven Landbau
schlecht geeignet ist. — Daß ein Verfasser wie Ballod, der nicht einmal genügend
denkerische Kraft aufbringt, um das Gesetz des abnehmenden Bodenertrages in
seinen logischen Grundlagen zu verstehen, sondern platt ein Gesetz des zuneh-
menden Bodenertrages annimmt (!), auch nicht fähig ist, die Wirtschaftsrechnung
einer ganzen Volkswirtschaft durchzuführen (eine Aufgabe, die ein Einzelner für
die Zukunft überhaupt nicht lösen kann), liegt klar am Tage. — Vielleicht noch