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§ 22. Die Vorstellung der Güterfülle

in der kommunistischen Wirtschaft

Frei wollen wir werden wie die Vögel des Himmels,

sorglos, in heiteren Zügen durchs Leben ziehen wie sie.

Weitling

Schon früher hatten wir der falschen Vorstellung unbegrenzter

Güterfülle in einer ideal organisierten Gesellschaft entgegenzutre-

ten

1

. Da diese Vorstellung aber nicht nur in marxistischen Köpfen

herumspukt und das größte Unheil anrichtet, ist es nötig, ihr eine

genauere Betrachtung zu widmen.

Schon im Altertum haben Euhemeros und Jambulos, in der Neu-

zeit Thomas Morus, Saint Simon, Fourier und fast alle Sozialisten

vor Marx die Vorstellung praktisch unbegrenzter Ergiebigkeit der

kommunistischen / Wirtschaft entwickelt. Robert Owen glaubte,

daß bei planmäßig organisierter Erzeugung so viele Güter herge-

stellt werden könnten, daß es ebensowenig jemandem einfallen

würde, sie als Privateigentum zu sammeln wie Wasser in Flaschen

zu füllen! — Neuerdings haben diese Ansichten namentlich durch

die Arbeiten von Popper-Lynkeus

2

und Ballod-Atlanticus

3

mächtige

Nahrung erhalten. Beide Arbeiten sind im Grunde phantastische

und dilettantische Entwürfe — Utopien. Wir beschränken uns hier

auf die Arbeit von Ballod, welche die ursprünglichere ist. Ballod hat

ausgerechnet, daß jedermann, wenn er sechs Jahre lang arbeitet, ge-

nug hervorbringe, um sein ganzes Leben hindurch versorgt werden

zu können!! Dieses Ergebnis schlägt dem Gedanken jeder gesunden

Lohntheorie, wonach die Massenlöhne im allgemeinen tatsächlich

von Durchschnittsportionen, die auf den Einzelnen entfallen, nicht

sehr weit entfernt sind, schnurstracks ins Gesicht. Sie stützt umge-

kehrt die Marxische Meinung, als wäre der ungeheure Mehrwert-

raub des Kapitals an der Arbeit die Ursache für die niedrige Lebens-

1

Siehe oben S. 132 f.

2

Die allgemeine Nährpflicht, Leipzig 1912.

3

Zukunftsstaat, 2. umgearbeitete Auflage, Stuttgart 1919.

Zusatz zur dritten Auflage. Die im folgenden besprochenen Werke bleiben

auch heute noch kennzeichnend für die dem Sozialismus notwendig anhaftende

Vorstellung von der ungeheuer hohen Ergiebigkeit der kommunistischen Wirt-

schaft und der daraus sich ergebenden Güterfülle.