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Im D r a m a , das verdichtetes Leben ist, gibt es stets nur Spie-
ler und Gegenspieler, niemals einen Spieler für sich. So steht als
Entsprechung dem Lieben- / den eine Geliebte, als Gegensatz dem
Helden ein Schwächling, dem Guten ein Böser, dem Verführer ein
Verführter, dem Ränkespieler ein Harmloser, dem Heiligen die
Welt, dem Liebling des Glückes ein Unglücklicher, dem hingeben-
den Menschenfreunde (wie Timon von Athen) die Schar der Eigen-
süchtigen gegenüber. So entspringt in Shakespeares „Heinrich IV.“
aus dem noch unentschiedenen Urstande der Tafelrunde, in der
Heinrich und Falstaff sich befinden, der gewaltige Gegensatz zwi-
schen dem Wahrer des Gesetzes, Heinrich, der im hellen Glanze des
sittlichen Menschen aufsteigt, und dem ruchlosen, amoralischen Fal-
staff, der in gänzlicher Nichtigkeit erst durch diesen Gegensatz vor
uns steht.
Es lehrt uns das Beispiel des Dramas, daß die g e i s t i g e n
I n h a l t e d e r e i n a n d e r f e i n d l i c h e n o d e r f r e m -
d e n G e m e i n s c h a f t e n n i c h t s C h a o t i s c h e s , s o n -
d e r n G l i e d e r e i n e r h ö h e r e n G e s a m t g a n z h e i t ,
eines geistigen Kosmos sind; eines Kosmos, in dem auch Verbildun-
gen und Abweichungen eine gewisse a n r e i z e n d e G l i e d -
s t e l l u n g einnehmen. Der Wertkosmos, logische Kosmos, ästhe-
tische Kosmos usw., sie haben in ihren geistigen Inhalten gegensei-
tige Bezugspunkte und Widersprüche, die daher grundsätzlich in
einer g l i e d l i c h e n Beziehung stehen; und sie gewinnen durch
diese gliedliche Gegensätzlichkeit sogar erst ihre ganze Wirklichkeit,
ihre ganze Leibhaftigkeit und Wahrheit, die sonst schal und ein-
tönig, ja unwirklich wäre. Und dies gilt nicht nur für das Drama,
es gilt für alles Wirkliche. Wenn nur Grau in der Welt wäre, gäbe
es keine Farbe (als eine sichtbare), wenn nur Heiligkeit, keine Reli-
giosität (als eine wißbare). Alle Realität braucht zum Voll-Dasein
einen Gegensatz. Das Geistige ist nur wirklich da kraft des Mate-
riellen, zu dem es in Gegensatz tritt, das Religiöse nur voll-wirklich
da kraft des Gegensatzes zum Abtrünnigen, Lässigen, Gleichgülti-
gen, das uns vom Gotteserlebnis abführen will, das Licht nur kraft
der Finsternis, das Rechte nur kraft des Unrechten
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Ober
die ontologische Seite des Fragepunktes vgl. Friedrich Wilhelm Joseph
von Schelling: Weltalter (1816), Leipzig 1913 (= Reclams Universalbibliothck,
Bd 5581—83).