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als geistige Stände! Die gliedliche Bezogenheit, die geistige Ver-
knüpftheit der Gemeinschaften gleicht wieder dem Organismus, wo
ebenfalls neben dem vollkommen Gesunden ein weniger Gesundes
oder geradezu Krankes, Entartetes vorhanden ist und neben dem
sich Bildenden ein Auszuscheidendes. Das Leben des Organismus ist
ein steter Kampf gegen diese Entartung und doch wieder ein stetes
Ins-Gleichgewicht-Kommen!
Als Gesamtergebnis dürfen wir wiederholen: Die Gliedhaftigkeit
einer Gemeinschaft im Gesamtbau des geistigen Kosmos macht sie
zum geistigen Stand. Die höheren, wie die niederen geistigen Ge-
meinschaften gehören jeweils in bestimmter Stellung, in bestimmter
Bezogenheit der Welt des Geistigen und Seelischen an, sind also
„Glieder“ dieser Welt — allerdings nicht gleichwertige. A u c h i n
d e r n i e d e r e n g e i s t i g e n W e l t w o h n t d i e h ö h e r e ,
w o h n t d i e „ G a n z h e i t “ , weil in der niederen Welt ja die
Bezugnahme auf die höhere liegt, weil sie ja auf das Ganze hinge-
ordnet, darauf angelegt ist; so ist auch der Verbrecher ein Glied der
sittlichen Welt, weil er das Schlechte im Gegensatz zum Guten ist;
das Schlechte ist damit (in verneinendem, gegensätzlichem Sinne)
Glied des Sittlichen.
Legen wir die gefundenen Eigenschaften des geistigen Standes in
streng begrifflich-analytischer Weise auseinander, so ergibt sich, daß
der Begriff des Standes in dreifacher Weise zu bestimmen ist:
(1)
zum „Stand“ wird ein Gemeinschaftskreis durch die Zusammen-
fassung von Ganzheit, die er darstellt. A u s d r u c k v o n G a n z -
h e i t z u s e i n , i s t d i e e r s t e G r u n d e i g e n s c h a f t
d e s S t a n d e s ; (2) der jeweilige einzelne geistige Stand ist aber
eben darum nicht Ausdruck der vollen Ganzheit überhaupt, son-
dern: A u s d r u c k d e r G a n z h e i t i n e i n e m B e s o n -
d e r e n . Denn nur als dieses bestimmte Glied, nicht im Allgemei-
nen (Abstrakten) ist ein Kreis von Gemeinschaften / „Stand“, das
heißt er ist ein eigentümlicher, ein arteigener Ausdruck des Ganzen.
Und damit ist der Stand (3) ein solcher eigentümlicher Ausdruck,
der in Wechselseitigkeit, in E n t s p r e c h u n g z u a n d e r e n
S t ä n d e n s e i n e W e s e n h e i t b e s i t z t — weil er eben
nicht alles ist und daher bei aller Ganzheit nach innen doch ein
Bruchstück nach außen, und bei aller Eigenheit des Fürsichseins doch
durch und durch auf Gegenglieder angelegt, auf das Ganze hinge-