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3. Der Staat als Stand

Der Staat ist nicht die einzige Organisation des Lebens, nicht die

Gesamtorganisation (wie es im Sinne der Lehre vom Urvertrage

liegt), sondern ein anstaltliches Gebilde, das nur einen bestimmten

Aufgabenkreis in sich schließt. Als anstaltliches Gebilde neben an-

deren anstaltlichen Gebilden ist er aber ein S t a n d , also wohl

Mitte, nicht aber die einzige Mitte anstaltlichen Handelns. Ist der

Staat ein Stand, so ist er doch nicht bloßer Stand unter Ständen,

sondern ein durch seine umfassende Art vor anderen ausgezeichne-

ter Stand. / Wie im Bereiche des Geistigen durch den Vorrang des

Metaphysischen die Einheit gesichert ist, so muß auch im Bereiche

des Handelns durch den Vorrang einer Anstalt (Organisation) die

Einheit gesichert werden. Der Staat ist nämlich a l l g e m e i n s t e

Anstalt, als solche ist er der Potenz nach (wenngleich niemals ak-

tuell) Inbegriff aller Anstalten; und in diesem Sinne des Vorranges

ist er E i n h e i t s e r s c h e i n u n g . Als allgemeinster und die

Einheit alles Handelns verbürgender Stand ist er aber auch

H ö c h s t s t a n d , das heißt Leiter und Richter aller anderen

Stände.

„Höchststand“, „allgemeinster Stand“, „Einheitserscheinung“ sind

Wechselbegriffe, die dem Vorrange des Staates entspringen. Denn

„allgemeinster Stand“ will nicht sagen, daß er alle anderen Stände

schlucke und der einzige Stand sei, der alles an sich ziehe, sondern

nur, daß er sie überhöhe. Die sogenannte „Omnipotenz“ des Staa-

tes, die von manchen Lehrern verfochten wurde, kann nie aus uni-

versalistischen Vordersätzen abgeleitet, sie kann nur aus der indivi-

dualistischen Unmittelbarkeit und Zentralisation her begründet

werden

1, 2

. Wird dagegen der Staat selbst nur als Stand aufgefaßt,

so kann auch nicht mehr allein von einer Herrschergewalt des Staa-

tes, der „Staatssouveränität“, gesprochen werden. J e d e r S t a n d

h a t s e i n e a r t e i g e n e H e r r s c h e r g e w a l t („Souveräni-

2

1

Siehe oben S. 226 f.

2

Z u s a t z z u r 4 . A u f l a g e : Die jüngste „ L e h r e v o m t o t a l e n

S t a a t e “ übersieht, daß der Staat ein Stand ist, macht ihn fälschlich zur ein-

zigen Mitte des Lebens und gelangt so unseres Erachtens in bedenkliche Nähe

zum zentralistisch-liberalen Staatsbegriffe (das heißt zum individualistischen

Naturrechte) aber auch zum marxistischen Kollektivismus, sofern dieser ebenfalls

zentralistisch ist.