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eigentum ständischer Verbände, ferner der Gemeinden und des
Staates. Nur in solcher Vielseitigkeit kann die Wirtschaft lebendig
bleiben. Einzelner, Zunftverband und Staat, jeder hat nun einen
angemessenen Tummelplatz seiner Kräfte. Und auch für das Maß
und die Verteilung von Freiheit und Bindung ergibt sich aus dem
Bisherigen ein Richtmaß: Es ist der Grad von Gemeinnützigkeit,
der einem Wirtschaftszweig innewohnt. Der allgemeine Grundsatz
des Maßes an gemeinnütziger Beeinflussung überhaupt soll sein:
Um so mehr Bindung und gemeinnützige Beeinflussung, je mehr es
sich um lebensnotwendige Gewerbe handelt; um so weniger Bin-
dung, um so freier, je mehr es sich um nicht lebensnotwendige und
um nicht geistig grundlegende, sondern willkürliche und nebensäch-
liche Bedürfnisse und Lebensgebiete handelt. Durch diese Abstufung
und Schichtung der Eigentumsformen und der daraus hervorge-
henden gewerblichen Betriebsformen ist Lebendigkeit und Beweg-
lichkeit bei höchster Sachgemäßheit gewährleistet. Auf diese Weise
ist insbesondere den beweglichen, freien und ungebundenen Natu-
ren ebenso ein Feld eröffnet wie den schlichteren, leitbaren, auf Be-
ständigkeit bedachten und den beschaulichen; da es bei der geschil-
derten Vielfalt weder an ruhigen beamtenartigen Stellungen noch
an freien Tummelplätzen der Betätigung fehlt. Durch jene reiche
Mischung der Organisationsformen und Betätigungsarten steht für
jede seelische Grundform auch eine Lebensform offen. Es dünkt
mich dieses ein wichtiges staatsmännisches Erfordernis für Wirt-
schaft- / lichen Frieden, für gesellschaftliche Ruhe und für Lebendig-
keit der Entwicklung zugleich. Immer sei die gesellschaftliche Le-
bensordnung darauf bedacht, daß der Grundsatz verwirklicht
werde: Jedem das Seine, als das ihm Angemessene — im Rahmen
der Ganzheit, im Rahmen ihres höchsten Geistes. Die ständische
Ordnung bei f r e i e r B e w e g l i c h k e i t d e r B e g a b u n g
wird hierzu den rechten Weg bieten.
Nach diesen grundsätzlichen Erörterungen betrachten wir die
ständischen Verbände selber, vor allem die berufsgenossenschaft-
lichen Stände oder Berufstände.
B.
Die B e r u f s t ä n d e o d e r B e r u f s -
g e n o s s e n s c h a f t e n
Schon früher berührten wir, daß die Neuordnung des Wirtschafts-
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