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notwendige Anpassungsfähigkeit. Denn die Unternehmer, im Ver-
eine mit den Arbeitern, überblicken die Verhältnisse, in denen sie
leben und wirken, mit denen sie von Kindesbeinen an verwachsen
sind, ganz anders, als es der Oberdirektor mit seinen Gehilfen auf
dem Schreibtische der Hauptkanzlei des Planwirt- / schaftsamtes je-
mals vermöchte. Die Preisbildung auf berufständischer Grundlage
ist zwar in einer bestimmten Hinsicht grundsätzlich dieselbe wie
beim Kapitalismus: soferne nämlich Marktpartei auf Marktpartei
trifft. Jedoch sind es hier ständische Gesamtheiten, die diese Markt-
parteien bilden, so daß n i c h t a t o m i s t i s c h e E i n z e l -
n e , s o n d e r n o r g a n i s c h e U n t e r g a n z h e i t e n e i n -
a n d e r g e g e n ü b e r s t e h e n . Die Gliedstellung des einen er-
zwingt die Gliedstellung des andern! Der Eigennutz der Berufstände
berichtigt sich an der organischen Stellung jedes Verbandes inmitten
der Vor- und Nacherzeuger. Das Ziel der Preisbildung ist daher
eine organisch mittlere Linie in der Volkswirtschaft und in diesem
Sinne der gerechte Preis. Andererseits wird der Preiskampf mit ganz
anderer Wucht, unter Umständen mit schweren Erschütterungen
geführt. Da aber Arbeiter wie Unternehmer organisch mit dem Ge-
schäftszweige verknüpft sind, ist der Kampf die Ausnahme, nicht
die Regel, wie in der kapitalistischen Ordnung.
Nach dem Bisherigen ist es nicht zuviel gesagt, daß der Gesamt-
arbeitsvertrag in sich den Ansatz hat, aus der A r b e i t s o r d -
n u n g e i n e B e r u f s o r d n u n g zu erzeugen, und damit die
beiden Sondergruppen: Arbeiter und Arbeitgeber zu einer Berufs-
genossenschaft, einer echten Zunft zusammenzuschließen.
Damit bilden sich allerdings Gewerkschaft im heutigen Sinne,
Kartell und Unternehmerverband im heutigen Sinne auch innerlich
um: sie s i n d n i c h t m e h r b l o ß e I n t e r e s s e n v e r -
b ä n d e , s o n d e r n O r g a n e e i n e s g r ö ß e r e n G a n z e n ,
ihrer Berufsgruppe, ihrer Zunft, die selber wieder keine private
Sondergruppe ist, sondern eine organische Stellung im Gesamtgan-
zen der Volkswirtschaft einnimmt. Der Gesamtarbeitsvertrag er-
scheint nun deutlich als die gestaltende und zusammenfassende Kraft,
welche jenen einheitlichen Berufsverband schafft, dessen o r g a -
n i s c h e Bestandteile dann Gewerkschaft und Kartell werden. Er