[214/215]
297
z. B. in einer Wagenfabrik die Gewerkschaften der Maler, der Holz-
arbeiter, der Metallarbeiter und der Sattler einen Tarifvertrag
schließen, so müssen sich diese Verbände auch gegenüber dem Ge-
samtverband der Wagenfabriken zusammenfinden. In diesem, der
Zunft, werden daher die Arbeitgeber eine einheitliche Gruppe bil-
den, die Arbeiter aber gewissermaßen nur als Vertreter oder Abtei-
lung ihrer jeweiligen Gesamtgewerkschaft auftreten. Ähnlich bei
allen Industriebeamten. Auf diese Weise wird die Verzünftigung
verwickelter, vielfältiger, als sie früher im Handwerk war
1
. Es
weben sich aber gerade dadurch auch mannigfache, verbindende
und ausgleichende Fäden von Zunft zu Zunft. Die einzelne Zunft
und ihre Unterabteilungen gewinnen gerade durch diese Verbindung
mit zentraleren Verbänden die nötige Eingliederung in die Gesamt-
heit der Wirtschaftszweige und damit schließlich in die Gesamtheit
der Volkswirtschaft. Denn es sind nun weder örtlich noch zweig-
mäßig ungesunde Sonderentwicklungen und Abirrungen größeren
Stiles möglich. Sie gewinnen dadurch gerade, was sie am meisten
brauchen, den Organcharakter. Aus e i g e n n ü t z i g e n S o n -
d e r v e r b ä n d e n m ü s s e n s i e z u G l i e d e r n d e r
V o l k s w i r t s c h a f t w e r d e n , z u S t ä n d e n .
/
Es ist selbstverständlich, daß im Gesamtverbande Arbeitgeber und
Arbeitnehmer jederzeit die Möglichkeit der Auseinandersetzung
über alle Fragen haben; es wird aber auch in den Unterverbänden
1
Zusatz zur dritten Auflage: Vgl. über die Fragen der berufständischen Or-
ganisation jetzt: Walter Heinrich: Die Unzulänglichkeit der Begriffe „Horizon-
tal“ u. „Vertikal“ zur Erklärung des wirtschaftlichen Verbändewesens, in: Stän-
disches Leben, Jg 1, Wien 1931. — Heinrich unterscheidet folgende Organisations-
grundsätze: (1) Organisation auf Grund des gleichen s t a a t l i c h e n Kapitals
höherer Ordnung: gebietliche oder territoriale Organisation oder Urstufenreihe
(Gemeinde-, Bezirks-, Provinz-, Volks-, Weltwirtschaft). (2) Organisation auf
Grund des gleichen i n n e r w i r t s c h a f t l i c h e n Kapitals höherer Ordnung
oder Verbandsstufenreihe; diese kann nach Gleichartigkeit der Ziele oder der
Leistungen oder auch der Rohstoffe vor sich gehen (Betrieb, Betriebs- oder
Branchenverband, Spitzenverband, z. B. Chemische Industrie, Gesamtverband,
Wirtschaftliches Ständehaus). (3) Organisation auf Grund des gleichen Ranges der
Leistungen (Sektionenbildung der Unternehmer, Angestellten, Arbeiter). Im wirk-
lichen Verbändewesen überschneiden sich alle diese Organisationsgrundsätze; da-
durch und durch die gleichzeitig v i e l f a c h e G l i e d h a f t i g k e i t aller
Wirtschafter, Betriebe und Verbände wird die tatsächliche Wirtschaftsorganisa-
tion so ungemein bunt und vielfältig, wie es Geschichte und Gegenwart aller-
orten zeigen.