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Erzeugnispreisen nichts übrig bleibt, als durch innere Verbesserungen einen Son-
dergewinn zu machen. Aber nicht nur innere Verbesserungen, sondern auch
die R i c h t u n g a u f Q u a l i t ä t s a r b e i t w i r d e i n h e r v o r s t e -
c h e n d e r Z u g s t ä n d i s c h e r W i r t s c h a f t s e i n .
Noch wichtiger aber ist, daß eine stetige Verjüngung des Führerstandes in der
ständischen Wirtschaft gesichert ist (ähnlich wie im Mittelalter), durch ein solches
Aufrücken von wirtschaftlichen Führertalenten, das der Verjüngung in der kapi-
talistischen Ordnung gleichkommt, ja, sie stellenweise übertreffen wird. Denn in
den Gewerbezweigen mit Riesenbetrieben wird bei der herrschenden i n n e r e n
Freiheit der Wirtschaft der Tüchtige ebenso zu leitenden Stellen vorrücken wie
heute; und wo Klein- und Mittelbetrieb möglich ist, wird dies teils gleich sehr,
teils mehr der Fall sein wie heute, da sozialpolitische Hilfseinrichtungen, genos-
senschaftliche und lehensartige Eigentumsformen sowie das Fachschulwesen über-
all mehr Hilfen der Führerausbildung und mehr Anreiz zur Führerbetätigung
darbieten werden als heute.
Trotz all dieser klar ersichtlichen Vorteile wäre es eine Selbsttäuschung, zu
meinen, die ständische Wirtschaft würde auf die Dauer eine größere Ergiebigkeit
haben als die kapitalistische. Die k a p i t a l i s t i s c h e W i r t s c h a f t i s t
ä u ß e r l i c h d i e e r g i e b i g s t e u n t e r a l l e n , weil sie den größten
Wirtschaftsfortschritt verbürgt (allerdings nur, sofern von den / Folgen, P r o l e -
t a r i s i e r u n g u n d K r i s e n , abgesehen wird). Hier wird jede neue Erfin-
dung mit rücksichtsloser Eile durchgeführt, ohne die Menschen, Existenzen, Ge-
wohnheiten, Kapitalien, die an den bisherigen Erzeugungsformen hängen, auch
nur im geringsten zu schonen und ohne daß diese die Macht haben, überhaupt
nur zu Worte zu kommen. Anders in jeder Wirtschaft mit kollektivem Einschlage.
Hier spricht nicht nur der Vorteil des Erfinders, sondern auch das Schwergewicht
des schon Vorhandenen, weil Organisierten, sein Wort. Soweit der Einfluß der
ständischen Verbände reicht, wird der Fortschritt von Technik und Wirtschaft
ein langsamerer sein. Das bewirken: die Schwerfälligkeit des Verbandes, die Ge-
wohnheiten des Alten, der konservative Sinn, das Liebgewonnene, das von dem
Hergebrachten Nichtlassen-Wollen, auch wenn es weniger Vorteile bietet als
das Neue. Jede organisierte Wirtschaft ist schwächer im Wirtschaftsfortschritt als
die ganz auf Kampf und Wettbewerb gegründete Wirtschaft. In der W i r t -
s c h a f t l i c h k e i t d e r A r b e i t s e l b s t d a g e g e n k a n n d i e o r g a -
n i s i e r t e W i r t s c h a f t o f t n o c h m e h r l e i s t e n als die unorgani-
sierte, weil sie durch Verringerung der Zwischenhandelstätigkeit, durch stellen-
weise innere Selbstgenüglichkeit größerer Wirtschaftskörper, durch Beschränkung
der Muster und der Mannigfaltigkeit der Erzeugnisse (Typisierung), durch dauer-
hafte und gute Arbeit einen großen Vorsprung gegenüber der Planlosigkeit und
Vergeudung der Kräfte hat, die nun einmal unabänderlich mit der freien Kamp-
feswirtschaft verbunden ist — wie der hohe Wohlstand des Mittelalters beweist,
k a n n wenigstens die organisierte Wirtschaft durch kluge Leitung und an-
dauernde Bemühung diese Vorteile erringen (obzwar um so schwerer, je z e n -
t r a l e r , je bureaukratischer die Organisation notwendig ist); jene Beweglich-
keit aber und Fortschrittsfähigkeit, die der freien Wirtschaft eigen ist, wird sie
niemals ganz erringen können — die „ g o l d e n e W a a g e d e r G e -
s c h i c h t e “ !