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ligen, daß ich mich der gerade jetzt unterdrückten geistlichen und feudalistischen
Elemente des Staates wärmer annehme, als der in diesem Augenblick triumphie-
renden. Mir ist es aber um ihrer aller Wechselwirkung zu tun, und so bin ich der
erste, der gegen die flachen Götzendiener des Mittelalters und der absoluten Hier-
archie den Stein aufhebt. Obgleich heute ein eifriger Widersacher von dem Alt-
Römischen
1
Prinzip unserer Verfassungen, bin ich dennoch irdisch und Römisch
genug, morgen dem geistlichen Prinzip, wenn es a l l e i n herrschen wollte, den
Krieg anzukündigen“
2
.
Je mehr und folgerichtiger ich aber den universalistischen Ge-
danken zu Ende dachte, um so mehr mußte ich auf dieselben For-
derungen und Schlußfolgerungen wie Adam Müller kommen. Aller-
dings geschah dies aus anderen Voraussetzungen her (wie ja nicht
anders möglich und das vorliegende Buch zeigt). Die entscheidende
Wendung war mir nach der Erringung des universalistischen Stand-
punktes die Erkenntnis: daß es kleine Gemeinschaften sind, in
denen die geistige Welt der Menschen geschichtet ist. Da es die ge-
sellschaftliche Geistigkeit ist, die sich ihren Körper baut, d a d i e
g e s e l l s c h a f t l i c h e G e i s t i g k e i t a b e r n u r i n k l e i -
n e n G e m e i n s c h a f t e n , i n S c h i c h t u n g e n m i t g e -
g e n e i n a n d e r g r o ß e n U n t e r s c h i e d e n , s i c h d a r -
l e b t , m u ß a u c h d i e o r g a n i s a t o r i s c h e G l i e d e -
r u n g d e r W i r t s c h a f t u n d s c h l i e ß l i c h d e s S t a a -
t e s v o n k l e i n e n K r e i s e n , v o n z u n f t a r t i g e n V e r -
b ä n d e n o d e r „ S t ä n d e n “ a u s g e h e n . Hiermit erscheint
nicht nur theoretisch jeder Atomismus überwunden; auch organi-
satorisch sind nun in Wirtschaft wie Staat die Folgerungen aus der
Ablehnung des Atomismus gezogen: Nicht gleichartige Atome wer-
den chaotisch zu einem Gesamt-Wirtschaftskörper zusammengefaßt,
wie es der Sozialismus will, sondern Ver- / bände bilden diesen Kör-
per, der auf diese Weise durch und durch organisiert ist. Die Ver-
bände selbst aber setzen sich nun aus lauter verhältnismäßig Glei-
chen zusammen. Und darauf beruht im letzten Grunde die Eigenart
des Standes: Gleichheit unter Gleichen; wie die Eigenart der stän-
1
das heißt: individualistischen (eigene Anmerkung).
2
Adam Müller: Elemente der Staatskunst, Bd 1, S. IX (Vorrede). Dagegen
sei hier nochmals betont, daß die Erklärung des mittelalterlichen Staatswesens
als eine Summe privatrechtlicher Abhängigkeiten durch Carl Ludwig v. Haller
(Restauration der Staatswissenschaften, 4 Bde, Winterthur 1816—20) gänzlich
unromantisch, ja geradezu aufklärerisch und auch sachlich verfehlt ist. Vgl. oben
S. 276.