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dischen Verfassung: Zusammenordnung der Gleichen zu Verbänden:
hierarchische Übereinanderordnung der ständisch Gleichen, der Ver-
bände. Die Z u s a m m e n o r d n u n g d e r G l e i c h e n e r s t
b i l d e t d i e v o l l e V o r a u s s e t z u n g f ü r d e n u n i -
v e r s a l i s t i s c h e n A u f b a u d e r G e s e l l s c h a f t , für
ihre Organisation auf universalistische Weise.
Diese Gedankengänge sind es, die fordern, daß mit dem kommu-
nistischen Marxismus endgültig aufgeräumt werde, und die zur Er-
kenntnis der ständischen Ordnung als der wahrhaft universalisti-
schen führen.
Eine äußerliche Verwandtschaft mit unseren Gedanken zeigt auch der jüngste
englische „ G i l d e n s o z i a l i s m u s " . Nach ihm sollen die Erzeugungsmittel
Eigentum des Staates werden, ebenso wie in der kommunistischen Gesellschaft.
Aber der Staat soll diese Erzeugungsmittel nicht zentralistisch verwalten (gewiß
ein Fortschritt gegenüber dem reinen Kommunismus), sondern sie den Gewerk-
schaften überlassen, die sich so in eine „nationale Gilde“, eine Gesamt-Gilde ver-
wandeln, das heißt eine den ganzen Staat umfassende Produktivgenossenschaft bil-
den. Uber die Preise der Waren, die Erzeugungsrichtung, die Beschaffenheit der
Ware usw. entscheidet nicht die Produktivgenossenschaft selbst, auch nicht der
Staat, sondern eine gemischte Körperschaft, bestehend aus Vertretern der Gilde,
des Staates (oder der Gemeinde) und der Verbraucher. Außerdem hebt der Staat
als Eigentümer der Erzeugungsmittel von der Gilde eine Rente ein. Durch die
Abstufung dieser Renten gegenüber den Gilden mit höheren oder geringeren Er-
trägnissen gleicht der Staat die Unterschiede zwischen den Arbeitseinkommen der
einzelnen Gewerbezweige aus. — Was meine Auffassung und Vorschläge von dem
Gildensozialismus trennt, ist, daß dieser wirkliche Gleichheit unter Ungleichen
einführen will, nämlich wirkliche Produktivgenossenschaften aus den Zünften oder
Gilden machen will, in denen niemand Eigentümer und niemand Besitzloser ist,
sondern grundsätzlich jeder gleich sehr Nutznießer des von dem Staate beigestell-
ten Eigentums. Hier herrscht, wie gesagt, schon Gleichheit unter Ungleichen, ein
Grundsatz, der völlig verwerflich ist. Die produktivgenossenschaftliche Verwal-
tung eines ganzen Erzeugungszweiges läuft schließlich auf nichts anderes hinaus
denn auf eine k o m m u n i s t i s c h e P l a n w i r t s c h a f t m i t v e r h ä l t -
n
S c h e m e n
e i c h .
A llerdings
gibt
es
hiervon
tralistisch und darum ebenso utopisch wie der reine Kommunismus selbst. Dazu
kommen noch eigene Schwierigkeiten, weil die „Gilden“ produktiv versagen wer-
den und im Staate jede überlegene Kraft, die ihre Auseinandersetzung leiten
könnte, fehlt. Je schwächer der Zentralismus im sozialistischen Gildenstaate, um
so mehr Anarchie; je mehr Zentralismus, um so reinere Planwirtschaft.
Innerlich weit ab steht das oben entworfene Bild der ständischen Gesellschaft
auch von dem W a l t e r R a t h e n a u s , der seine Ideen berufsgenossenschaft-
licher Verbände aus einem Gemisch halb sozialistischer und halb liberaler Denk-
weise heraus schöpfte, zuletzt sogar zum Rätegedanken russischen Stils ab-
schwenkte, seine Ideen aber gewiß mit größtem esprit vertrat und die große Ver-
trautheit des Praktikers mit den Einzelheiten der großgewerblichen Wirtschaft,
namentlich der Kartellverwaltung, vor anderen voraus hat. Rathenau strebt be-