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Weil der Staat ein eigener Stand mit eigener Aufgabe ist, hat er
dem Wesen der Sache nach auch nicht im Hinblick auf seine Geld-
mittel und Geldmacht von den anderen Ständen abhängig zu sein,
jedenfalls lange nicht so sehr, wie es das heutige S t e u e r w e s e n
zeigt. Wesensgemäß ist es vielmehr, daß der Staat instand gesetzt
werde, seine ordentlichen Bedürfnisse im großen und ganzen aus
seinen eigenen Quellen zu speisen: Eigenbesitz, Domänen, Mono-
pole aller Art, unmittelbare Einkünfte der höchsten Staatsstellen
und maßgebenden Verrichtungsträger aus eigenem Besitze, das ist
es, was die Natur der Sache verlangt, und was auch immer in der
Geschichte so lange vorherrscht, bis der individualistisch-liberale
Unstaat über die Menschen hereinbricht und sie an den Rand der
Auflösung oder des Bolschewismus drängt.
Ist der Staat wesensgemäß als Stand neben Ständen (und über
ihnen) eingerichtet, und ist demgemäß das ganze Leben körper-
schaftlich-ständisch geordnet, wie z. B. im Mittelalter, dann folgt
daraus die sachgemäße S e l b s t v e r w a l t u n g aller ständischen
Angelegenheiten. Hiermit üben die Stände aber eigene Hoheitsrechte
aus, sie benehmen sich in ihrem Kreise wie der Staat in dem seinen.
Darum läßt sich dieser Sachverhalt bildlich in den Satz kleiden:
S t a n d s c h l u c k t S t a a t . Jeder Stand nimmt dem heutigen
zentralistischen Staate, der alles machen will, jene Veranstaltungs-
arbeit ab, die wesensgemäß nicht dem Staate, sondern einem anderen
Stande arteigen zukommt. Er wird dadurch gleichsam in sich selber
ein kleiner Staat (Ende des Zusatzes zur dritten Auflage).
Z u s a t z z u r v i e r t e n A u f l a g e
S t a a t u n d W i r t s c h a f t
Der Individualismus sah das Verhältnis von Staat und Wirtschaft
falsch, indem er die Wirtschaft nach Gesetzen des L a i s s e z - f a i r e
bestimmt sein ließ und die Tätigkeit des Staates als nachträgliche
„Intervention“ auffaßte, die er natürlich verwerfen mußte. Auch
der marxistische Kollektivismus sah es falsch, wie schon seine Lehre
vom „Absterben des Staates“ zeigt
1
. Aber auch die heute in Italien,
Deutschland und Österreich herrschende Richtung, welche die staat-
1
Siehe oben S. 149 f. und 178.