Table of Contents Table of Contents
Previous Page  2515 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 2515 / 9133 Next Page
Page Background

353

gewordene Mißverständisse und beziehen sich auf die Äußerungen

anderer, die eine gleiche oder ähnliche Richtung vertraten.

(2)

Obgleich Spann, wie in allen seinen Schriften soziologischen

Inhaltes, so auch in diesem Werk, nachdrücklich darauf Wert legt,

daß sein soziologischer Grundbefund — die „Gezweiung“ — aus

der Analyse des Objektes, also mit streng wissenschaftlichen Mitteln

gewonnen wird, muß bei einer Beurteilung des Buches „Der wahre

Staat“ doch auch Spanns philosophisches Werk betrachtet werden,

das eigene Wege beschreitet, einem kritischen Realismus nahe steht,

sich aber sehr bewußt in die große Tradition des Idealismus einfügt.

Bei seiner Darstellung der „ständischen“ Grundstruktur jeder leben-

digen Gesellschaft z. B. weist Spann auf die Ähnlichkeit seines —

allerdings sehr viel differenzierteren — Strukturbefundes mit der

gesellschaftlichen Gliederung bei Plato hin, freilich nicht ohne sehr

bemerkenswerte kritische Erwägungen. In seiner „Gesellschaftsphi-

losophie“ führt er sowohl systematisch als auch lehrgeschichtlich

den Beweis, daß alle Sozialwissenschaft, sei es auch zuweilen unbe-

wußt, philosophische Voraussetzungen haben muß. Auch „Der

wahre Staat“ zeigt die philosophischen Voraussetzungen und Kon-

sequenzen der sozialen Analyse auf. Was Spann methodisch über

den Zusammenhang von Philosophie und Sozialwissenschaften aus-

sagt, erweist sich in der ganzen Geschichte dieser Wissenschaften

trotz allen Strebens nach voller Verselbständigung als richtig. Es

liegt im Wesen des Objektes, daß in den theoretischen Wissenschaf-

ten vom sozialen Leben Kritik und Gegenkritik zuletzt zu den

philosophischen Ausgangsfragen hinführen muß. Die ganzheitliche

Betrachtungsweise Spanns erfaßt systematisch diese Zusammenhänge

und hält sie in der methodischen Durchführung fest.

(3)

„Der wahre Staat“ muß aus den Problemen seiner Zeit, oder

besser: aus der Art verstanden werden, in der sich damals gemäß

der politischen, sozialen und geistesgeschichtlichen Situation die gro-

ßen Probleme äußerten und gesehen wurden. In diesem Sinne ist

das Buch auch von großem historischen Interesse. Es ist aus der

Problematik der ersten Jahre des dritten Jahrzehntes unseres Jahr-

hunderts geschrieben. Geschrieben in einer Stadt und inmitten eines

Volkes, dessen unvergleichliches politisches Schicksal im Zusammen-

bruch aller traditionellen politischen Ordnungskräfte ein Macht-,

Autoritäts- und Ordnungsvakuum schuf und damit den Boden für

23 Spann, 5