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zubauen. Ihn ging unter anderen Cassel. Cassel will keine Wert-
theorie, weder jene, die von der Arbeit, noch jene, die von der
psychologischen Schätzung ausgeht. Er will einfach die Mengen, die
sich auf dem Markte treffen, miteinander in Beziehung setzen (Knapp-
heitsgrundsatz). Es wäre aber ein Leichtes nachzuweisen, daß das
mathematische Formelsystem, auf das Cassel seine Preistheorie
gründet, auf einer Tautologie beruht und daher mindestens nichts-
sagend ist. Indessen ist es noch aus anderen Gründen fehlerhaft,
vor allem, weil gewisse Güter gar nicht quantifizierbar sind. Zum
Beispiel sind der Erfindergedanke (Patent), der Handelsvertrag, so-
gar stoffliche Güter wie etwa die Geige, nicht quantifizierbar, weil
verhältnismäßig unverbrauchlich.
Ganz allgemein ist noch zu sagen, daß der Grundgedanke des
mathematischen Verfahrens nicht durchführbar sei. Denn es beruht
auf der Voraussetzung: daß einzelne Größen selbständig variierbar
seien, während alles andere gleichbleibe, das sogenannte „ c e t e r i s
p a r i b u s “ . Das „ceteris paribus“ — also z. B. die Annahme „Ver-
doppelung des Angebotes bei gleichbleibender Nachfrage“ — ist
aber für die Wirtschaft durchaus begriffswidrig. Wenn z. B. Eisen
in doppelter Menge auf den Markt kommt, dann ist es unmöglich,
daß alles andere gleich geblieben wäre und nur das Angebot von
Eisen sich verdoppelt hätte. Denn um das doppelte Eisenangebot
zu ermöglichen, mußte doppelt soviel gefördert, verhüttet, ver-
frachtet, doppelt soviel an Löhnen gezahlt, an Rohstoffen ver-
arbeitet, an Kapital in Anspruch genommen werden und so fort.
Das heißt aber zuletzt: die ganze Volkswirtschaft ist verändert
worden, um doppelt soviel Eisen zur Verfügung stellen zu können
(lediglich im m a r k t t e c h n i s c h e n Sinne kann unter Umstän-
den eine annähernd einseitige / Änderung des Angebotes unterstellt
werden). Während man in der Physik allerdings z. B. annehmen
kann, daß sich nur das Volumen ändere, woraus die Änderungen
von Druck und Temperatur als mathematische Funktionen (Ab-
hängige) folgten, ist ein derartiges Verfahren in der Volkswirt-
schaftslehre grundsätzlich unmöglich. Man darf in der Volkswirt-
schaftslehre die Annahme isolierter Veränderung eines einzigen
„Faktors“ zum Zwecke der Folgerung mathematischer „Funktio-
nalbeziehungen“ ebensowenig machen, wie etwa in der Atmungs-
physiologie die Annahme des Atmens im luftleeren Raume. Beide