Table of Contents Table of Contents
Previous Page  2593 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 2593 / 9133 Next Page
Page Background

[14/15]

23

Von der P r e i s b i l d u n g a u s w e r d e n a l l e W i r t -

s c h a f t s v o r g ä n g e e r k l ä r t — damit ist der systematische

Aufbau aller individualistischen Theorien bezeichnet.

So wenig die Preis- und Verteilungslehre bei Smith, Ricardo,

Marx befriedigt, so wenig ist sie Mengern, Böhm-Bawerken oder

auch Casseln gelungen. Welche Vorbehalte und Einklammerungen

aber man auch versuchte, die Systemgedanken, nämlich den Aus-

gangspunkt vom Einzelnen mit seinem Eigennutz und die Preis-

theorie als Schlüssel des Begriffsgebäudes, suchte man dennoch über-

all auf rechtzuerhalten. Je mehr die Theorien ausgebildet wurden,

um so weniger stimmen sie. Und wenn schon bisher keine Preis-

theorie gelang, wie sollte daraus je eine richtige „Verteilungstheorie“

werden? Aber der Systemgedanke des Individualismus bleibt immer

nur die Preistheorie, auf ihr ruht die Verteilungstheorie.

Bisher zeigte sich die individualistische Wirtschaffstheorie als

n i c h t auf einer bestimmten Zweckeinstellung und Gesinnung

beruhend, sondern auf reiner Zergliederung, denn / selbst der

„Eigennutz“ will keine Gesinnung predigen, sondern rein analyti-

scher Befund sein. Erst aus dem analytischen Befunde, erst aus der

Wesenserkenntnis folgt das Ziel, die Wertsetzung. J e d e e c h t e

E r k e n n t n i s i s t w e r t s c h ö p f e n d

1

. Daher ergab sich auch

den individualistischen Theoretikern aus ihren zergliedernden We-

senserkenntnissen eine eindeutige W i r t s c h a f t s p o l i t i k . Eine

solche sehen wir schon deutlich bei Quesnay. Als ihn der König,

dessen Leibarzt er war, fragte, was in der damaligen schlimmen

Wirtschaftslage Frankreichs zu tun sei, antwortete er: „Nichts,

Sire.“ Das entsprach dem Grundsatze der Wirtschaffsfreiheit:

„Laissez faire, laissez passer, le monde va de lui-même.“ Subjektive

Wertungen waren für diesen Grundsatz nicht maßgebend. Wie ge-

sagt, entspringt auch die liberale Volkswirtschaftspolitik aus der

* S.

1

Den Nachweis, daß das S o l l e n a u s d e m S e i n e r k a n n t

w e r d e und daß daher eine sogenannte „wertfreie Wissenschaft" in Wirt-

schaft und Gesellschaft unmöglich, vielmehr nur eine falsche Übertragung

mathematisch-physikalischen Denkens auf die Geisteswissenschaft sei,

führte ich in meiner Kategorienlehre (= Ergänzungsbände zur Sammlung

Herdflamme, Bd 1), Jena 1924, S. 99 ff. und 332 ff. [2. Aufl., Jena 1939,

S. 104 ff. und 376 ff.]. — Vgl. auch meine Gesellschaftsphilosophie (Handbuch

der Philosophie, herausgegeben von Alfred Baeumler und Manfred Schröter),

München 1928, S. 117 ff., und unten, Fünfte Abhandlung, S. 321 ff.