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Was das Geld nun auch sei, nach welchem Begriff es auch be-
stimmt werden möge, ob „metallistisch“ als Ware, ob „nominali-
stisch“ als staatliches „Gesetz“, ganzheitlich als „Kapital höherer
Ordnung“ — wir sehen in der Wirtschaft aller Zeiten, aber größten
Stiles in der modernen individualistischen Wirtschaft, daß überall
auch das Geld seinen „Markt“ habe, daß es verliehen und gekauft
werde (Kredit), ähnlich wie die Waren auch. Das Leih- und Bank-
wesen aller Zeiten, dazu heute das Finanzkapital in seinen viel-
fachen Formen, vor allem die Effektenbörsen und was sich daran
an ergänzenden und helfenden Tätigkeiten anschließt — sie alle
bestehen wesentlich darin, Geld an sich zu ziehen und es zu ver-
leihen, dem Gelde also eine Marktreife zu geben. (Auch in der rei-
nen Naturalwirtschaft hat Geld niemals gänzlich gefehlt, Geld ist
eine Urerscheinung aller Wirtschaft.) Die Marktreife des Geldes ist,
allgemein gesagt, G e l d l e i h e o d e r K r e d i t . Eine besondere
Form der Geldleihe ist sodann die Vermittlung derselben, die
K r e d i t v e r m i t t l u n g .
Da nun überall, s o f e r n Geld in Verwendung ist, gelten muß:
G e l d i s t v o r W a r e ; da ferner sogar nach metallistischer Auf-
fassung Geld eine führende Ware, nach unserem Lehrbegriffe aber
Kapital höherer Ordnung ist, die Ware dagegen nur Werkzeug
(Kapital) oder Genußgut; und da demnach das Kapital höherer
Ordnung sowohl für Werkzeuge wie für Genußgüter Vorausset-
zung für jederlei Ware ist; so gilt auch für die Marktreife: die
Marktreifeverleihung an das Geld ist vor jener an die Ware; anders
gesagt: K r e d i t i s t v o r H a n d e l u n d E r z e u g u n g . Aller-
dings gilt dieser Satz nur nach der Maßgabe, daß für den Handel
und für die Erzeugung jeweils geborgtes Geld nötig sei, also unter
der Voraussetzung mangelnden Eigenkapitals. Wo Eigenkapital
hinreicht, kommt Leihe nicht in Betracht, daher auch nicht ihr
Vorrang.
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Kurz gesagt, lautet dieser Gedankengang: Waren können erst
marktreif gemacht werden durch Geld, die Marktreifmachung des
Geldes ist daher begriffliche Voraussetzung für die Marktreif-
sierende Seite, insbesondere ist die Marktreifeverleihung an das Geld von
der Schaffung des Geldes als Kapitals höherer Ordnung, der Geldschöpfung,
nicht vollständig zu trennen (siehe unten, Vierte Abhandlung, S. 256 ff.).