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Standpunkte aus der Einwurf gemacht werden, daß es unstatthaft
sei, die Verbandswirtschaften — als deren Beispiele wir unter an-
derem Kartelle, Genossenschaftsverbände und Genossenschaften, Ge-
werkschaftsverbände und Gewerkschaften anführten — als Unter-
ganzheiten der Volks- und Weltwirtschaft zu behandeln. Die zunft-
ähnlichen Verbände, so könnte man einwenden, seien keine Wirt-
schaftsstufe (die es ja vom individualistischen Standpunkte aus über-
haupt nicht gibt), sondern sichtbare und greifbare „Organisationen“
mit einer Leitung, einem „Vorstande“, an der Spitze; und ihr Wesen
sei die S e l b s t h i l f e der einzelnen Wirtschafter, welche sich in
ihnen zusammentun, um sich m o n o p o l i s t i s c h e Stellungen für
ihre wirtschaftlichen Leistungen zu erobern.
Dieser Einwurf ist nicht stichhaltig, weil er, kurz gesagt, über-
sieht, daß arteigenes Kapital höherer Ordnung — also Wirtschafts-
mittel schöpferischer Art — es sind, welche die Gebilde (die Stufen)
der Wirtschaft bestimmen, nicht die Summierung einzelner Wirt-
schafter.
Zur näheren Erläuterung noch einige Bemerkungen. Volkswirtschaft,
Gebietswirtschaft, Wirtschaftsverband müssen als wesensähnlich verstanden
werden. Der O r g a n i s a t o r h e i ß t a b e r i n d e r V o l k s w i r t -
s c h a f t n i c h t „ K a r t e l l d i r e k t o r " o d e r „ G e n o s s e n s c h a f t s -
v o r s t a n d " , s o n d e r n — S t a a t , und in den Gebietswirtschaften heißt
er etwa: Landesregierung, Landrat, Gemeinderat. Immer handelt es sich
um staatliches oder von Unterorganen des Staates erzeugtes Kapital höherer
Ordnung. / Allerdings muß man sich daran gewöhnen, im Bannkreis der
wirtschaftlichen Erscheinungen ausschließlich l a u t e r e W i r t s c h a f t zu
suchen und zu sehen. Der Staat ist hier, wie wir schon oben
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betonten, nicht
in seiner Eigenschaft als „Staat" Bestandteil desjenigen, was wir als „Volks-
wirtschaft" vor uns haben; er ist daher im strengsten Sinne des Wortes
auch durchaus nicht als der „Organisator" der Volkswirtschaft zu betrachten!
D e n n „ S t a a t " u n d „ O r g a n i s a t i o n " s i n d a b s o l u t k e i n e
w i r t s c h a f t l i c h e n E r s c h e i n u n g e n , sondern gesellschaftliche Er-
scheinungen von ganz anderer Ebene als die Wirtschaft; sie gehören einem
ganz anderen Teilganzen der Gesellschaft an (wie z. B. auch die Religion,
die Kirche, die Sittlichkeit andere Teilganze der Gesellschaft sind). Im Teil-
ganzen „Wirtschaft" gibt es nur und ausschließlich wirtschaftliche Erschei-
nungen! — ähnlich wie es im Teilganzen „Religion" nur religiöse, im Teil-
ganzen „Kunst" nur künstlerische, im Teilganzen „Heer" nur heeresmäßige,
im Teilganzen „Staat“ nur staatliche Erscheinungen gibt (z. B. nur die Staats-
organe, Parlament, Ministerium, Staatsbürger usw.)! Nicht in seiner Eigen-
schaft als „Staat" also, um es zu wiederholen, sondern in seiner Eigenschaft
als Wirtschaftsmittel — nämlich als Kapital höherer Ordnung, als Gebilde
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Siehe oben S. 85.