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Die Wirtschaft ist ein Gliederbau von Leistungen. Nun ist es allerdings
richtig, daß die Leistungen im Hinblick auf Veränderungen entweder
solche von lebenswichtigen oder lebensunwichtigen Organen sind; und dem-
gemäß — trotz ihrer Gleichwichtigkeit im Rahmen je eines b e s t i m m t e n
Leistungsstandes — Leistungen auch „mehr" oder „weniger" g e l t e n , das
heißt, einen v e r s c h i e - / d e n e n R a n g haben. In diesem Sinne sprechen
wir von verschiedenen Leistungsgrößen. Leistungsgröße heißt Leistungsrang.
Die Frage ist nun, ob die Leistungen nach der Höhe ihrer Gültigkeit oder
ihres Ranges meßbar sind? Dies ist zu verneinen. Denn o b g l e i c h e s
h ö h e r e n u n d n i e d r i g e r e n R a n g g i b t , s o i s t d i e s e s H ö -
h e r u n d N i e d r i g e r d o c h n i e m a l s m e n g e n h a f t a u s d r ü c k -
b a r . Das Herz ist nicht 1112mal mehr als der kleine Finger, der General
nicht 995mal mehr als der Feldwebel, der Papst ist nicht 1000
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/
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mal mehr
als der Landpfarrer. Das ist klar und spricht für sich. Der Grund dafür liegt
darin; daß die Leistungen sich voneinander nicht durch ein einfach steiger-
bares Intensitätsverhältnis (durch ein Stärkeverhältnis) unterscheiden, son-
dern daß jede Leistung einen neuen, einen b e s o n d e r e n R a n g inne-
hat! Warum ist der General nicht 995mal wichtiger als der Feldwebel? —
weil er nicht die Arbeit (Leistung) von 995 Feldwebeln, sondern e t w a s
a n d e r e s tut! Und ebenso steht es mit Herz und kleinem Finger, Papst
und Landpfarrer, oder auch, um Beispiele aus der Wirtschaft zu nehmen; mit
Dampfmaschine und Arbeitsmaschine, Betriebsleiter und Arbeiter, Erzeuger
und Händler. Sie alle haben einen anderen Rang, der wohl höher oder
niedriger, lebenswichtiger und unwichtiger, mehr oder weniger gültig ist;
a b e r d a s „ H ö h e r u n d N i e d r i g e r " , „ M e h r o d e r W e n i g e r "
d e r L e i s t u n g i s t n i c h t d i e F o l g e e i n e r Q u a n t i f i z i e r u n g ,
sondern das Sinnbild einer neuen Art. Es ist nur ein analoges Mehr oder
Weniger, aber kein mengenhaftes. Ein mengenhaftes Mehr oder Weniger
gibt es nur im Gleichartigen. Eine Bewegung z. B. kann l0 mal oder l00mal
schneller sein als eine andere. Sofern sie immer als genau dieselbe Qualität
„Bewegung" gedacht wird, liegt in diesem Unterschiede ein rein Mengen-
haftes, die Zahl. Der Anschein des bloßen Mengenunterschiedes entsteht aber
bei wirtschaftlichen Leistungen nur infolge sehr geringer Übergänge von
der einen Leistungsbeschaffenheit in die andere. Daß Dampfmaschine und
Arbeitsmaschine Verschiedenes leisten und diese Leistungen nicht zahlen-
mäßig bestimmt werden können, liegt auf der Hand; aber auch unter den
scheinbar gleichartigsten Genußgütern besteht dieses Verhältnis, indem z. B.
das erste Glas Wasser dem Durstigen ein anderes Ziel erreichen hilft als das
zehnte, das heißt, einen Genuß anderer Qualität, also nicht eigentlich anderer
Quantität (Intensität) gewährt!
Jede Leistung ist unwiederholbar und einzig, sie ist von einer besonde-
ren Art (Spezies) und nicht durch ein bloßes Intensitäts- / oder Stärkever-
hältnis von einer anderen verschieden. Daher ist auch ihr Rang (ihre Lei-
stungsgröße) nicht durch ein einfaches Stärkeverhältnis bezeichnet.
Auf diese Weise ist es verständlich, daß zwar zwischen dem inhaltlich
Verschiedenen Rangunterschiede bestehen, aber keine größenmäßig bestimm-
baren. Eben darum kann man zwar, wie in früheren Beispielen dargelegt,
sagen, daß eine Oper von Mozart wertvoller sei, im Range höher stehe als
eine Oper von Flotow, aber nicht, daß sie 10
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mal wertvoller sei. Zwar gilt
der Satz „Das Bessere ist des Guten Feind" — aber es gibt nichts, was
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mal besser wäre als ein anderes.