[290/291]
263
Hier kommen wir auf eine früher schon berührte Seite der
Größenverhältnisse aller Angebote und Nachfragen oder der ihnen
entsprechenden Preise, welche die herkömmlichen Preistheorien
nicht kennen: Weitaus überwiegen die unbezahlten Leistungen, die
jede Wirtschaft von den vorgeordneten Gebilden übernimmt —
eine Nachfrage, die nicht preiszahlend auftritt! Müßten die Aus-
wirkungen aller Gesetze, aller Erfindungen, selbst jener der Stein-
zeit, die wir heute noch nutzen, bezahlt werden, es würde kein Er-
trag dazu hinreichen — die e w i g e U n z u l ä n g l i c h k e i t
a l l e r W i r t s c h a f t . Daß keine Wirtschaft alles bezahlt, was
sie verbraucht, bedeutet aber wieder gerade das Gegenteil — der
g o l d e n e Ü b e r f l u ß a l l e r W i r t s c h a f t .
Aus diesem goldenen Überflusse gibt mit Recht jede Wirtschaft
ihrerseits unbezahlte Leistungen vorgeordneter und unverbrauch-
licher Art ab!
Die Marxistische Mehrwertlehre erhebt eine Anklage gegen die „Aus-
beuter" der Arbeiter. Die „Umkehrung“ der Mehrwertlehre aber erhebt eine
solche Anklage gegen die letztstufigen Glieder nicht, denn diese Art der
„Ausbeutung" ist in gewissem Maße wesensgemäß, anders kann die Gesell-
schaft nicht bestehen. Nur mehr Verständnis für die vorgeordneten Leistun-
gen, mehr Bildungshunger muß man von den letzten Nutznießern allerdings
verlangen, mehr B e w u ß t h e i t i h r e s R ü c k v e r b u n d e n s e i n s i n
d e n s c h ö p f e r i s c h e n L e i s t u n g e n d e r v o r g e o r d n e t e n
T e i l g a n z e n . Wenn man den Gedanken der Pflege und Hochschätzung
der vorgeordneten Teilganzen folgerichtig weiter verfolgt, so kommt man
zum Begriffe des „standesgemäßen Einkommens". Denn dieses hat die Auf-
gabe, den Lebenskreislauf der Wirtschaft zu sichern
1
.
/
Mit der „Umkehrung der Mehrwertlehre" ist auch das viel-
gerühmte „Recht auf den vollen Arbeitsertrag“ gefallen: Es g i b t
k e i n e n A r b e i t s e r t r a g e i n e s E i n z e l n e n . Daher kann
es auch kein Recht darauf geben. Indem sich erwies, daß alle Arbeit,
ganz besonders aber alle ausführende Arbeit, z. B. des Eisendrehers,
vorgeordnete Leistungen auswirkt, diese vorgeordneten dabei
durchaus unentbehrlich und noch mehr, schöpferisch-gestaltend
sind, zeigte sich der Begriff des gesonderten Arbeitsertrages eines
Einzelnen als Unbegriff.
1
Vgl. darüber auch unten, Verteilungslehre, S. 292 und 318.