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D.
R ä t s e l d e r b i s h e r i g e n P r e i s l e h r e u n d
i h r e A u f l ö s u n g
Wenn unsere Preiserklärung die richtige ist, so muß sie die Er-
fahrungen der Preisstatistik und Preisgeschichte auch besser zu er-
klären vermögen, als die bisherige Lehre
1
.
1.
Die Entsprechungen der Preise untereinander
Wie wir schon öfters hervorgehoben, kann es nach unserem Lehrbegriffe
nur verbundene Preise geben; im Begriffe der Gleichwichtigkeit und Wert-
entfaltung liegt die gliedhafte Bezogenheit aller Preise auf alle. Der Preis
ist nicht als solcher, sondern nur in seinen Entsprechungsverhältnissen oder
sogenannten Preisrelationen zu verstehen. Können wir nun die Veränderun-
gen der Preisentsprechungen, die der Krieg brachte, verstehen?
Wir gedachten bereits der Erscheinung, daß während der letzten In-
flationen die Preise der Waren des Massenbedarfes, besonders der Lebens-
mittel, weniger stiegen als jene der entbehrlichen Waren, z. B. der Texti-
lien und Modeartikel; das lehrt deutlich die Preisstatistik
2
. Die subjektive
Lehre kann diese Erscheinung im Grunde nicht erklären, da die in ihrer
Kaufkraft erschöpften Käufer nunmehr eine geringere Wertschätzung für
die nicht notwendigen Waren haben, wodurch deren Preise sinken müßten!
Für uns erklärt sich aber diese Erscheinung mühelos. Sie beruht auf einer
Preisverschiebung infolge der Umgliederung der Güter, das heißt in- / folge
einer Ä n d e r u n g d e r G r ö ß e n v e r h ä l t n i s s e i m G l i e d e r b a u
d e r W i r t s c h a f t . Während nämlich die notwendigen Massenartikel ihre
innere Gliederung und ihre absolute Menge auch in Notzeiten vergleichs-
weise gut behaupten, treten die anderen Waren zurück. Das heißt aber: daß
sie v e r h ä l t n i s m ä ß i g eine geringere Rolle spielen, daß sie, die nicht
notwendigen Waren, nunmehr, gemessen an den anderen Waren, seltener,
a l s o t e u r e r werden (gleichwie in der Gleichung „1 Ochse = 10 Schafen"
der Ochse als der seltenere l0mal teurer ist als 1 Schaf).
Ein anderes Beispiel bieten die Massenwaren selbst. Die Getreidepreise
erweisen sich laut Statistik als besonders „empfindlich", sie reagieren auf
geringere Veränderungen der Kosten und Marktverhältnisse usw. Das darf
aber nicht nur in Zusammenhang gebracht werden mit der Lebenswichtig-
keit der Bedürfnisse, denen das Getreide dient. Vielmehr kommt hier auch
das Mengenverhältnis in Frage! W a r e n , d i e i m E r z e u g u n g s -
g a n g e m e n g e n m ä ß i g ( p r o z e n t u e l l ) e i n e g e r i n g e r e R o l l e
s p i e l e n , s i n d w e n i g e r e m p f i n d l i c h u n d k ö n n e n a u c h
t e u e r v e r k a u f t w e r d e n ; W a r e n v o n g r o ß e r M e n g e s p ü -
r e n d i e V e r ä n d e r u n g e n d e r M a ß v e r h ä l t n i s s e m e h r , u n d
i h r e M a s s e n v e r w e n d u n g s t r ä u b t s i c h g e g e n V e r t e u -
e r u n g e n , und zwar um so mehr, je weniger diese durch andere Erspa-
rungen wettgemacht werden können. Das geht z. B. bei Getreide (was für
Mehl mehr ausgegeben wird, kann und muß anderswo gespart werden),
aber nicht bei Kohle, deren Verteuerung der Fabrikant nirgends wettmachen
1
Deren Schwierigkeiten siehe oben S. 248 ff.
2
Vgl. oben S. 248 f.