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6. Willkür und Macht in der Preisbildung
Eine unlösbare Schwierigkeit bedeutet für die subjektive ebenso wie
für die objektive Lehre der geschichtlich unleugbare Einfluß der Macht auf
die Preisbildung. Für uns ist diese Schwierigkeit gelöst. Unserer Preiserklä-
rung gemäß hat die Macht jederzeit einen Spielraum, und zwar einen mehr-
fachen.
a.
Innerhalb jener Grenzen, welche die Preise und ihre Verhältnismäßig-
keit dadurch, ziehen, daß sie unrechenbar, unbestimmt, daß sie nicht ein-
deutig sind, kann die Willkür und Macht einsetzen. Hier können die Markt-
parteien, hier kann Feilschen, Wahrnehmung des Vorteils, nackte Macht-
ausübung jeder Art, äußerer Eingriff der Behörde einsetzen.
b.
Ein Spielraum für Willkür und Macht entsteht auch dadurch, daß alle
Wirtschaft stets in U m g l i e d e r u n g begriffen ist. Die Umgliederung
kann nun durch Macht beeinflußt werden (siehe z. B. den Kampf herrschen-
der Marktparteien gegen neue Verfahren und Muster). Dadurch, daß die
Preisbildung eines der Mittel jenes Kampfes um die Umgliederung bildet,
entsteht auch in ihr ein Spielraum der Gewalt. (Gewaltsame Unterbindung
des Außenseiters, künstlich niedrige „Einführungspreise", die den Gegner
vernichten sollen, und dergleichen mehr.)
c.
Ein freier Spielraum entsteht endlich, weil die Wirtschaft r i c h t i g
o d e r u n r i c h t i g gestaltet werden kann. Wird z. B. zuviel kapitalisiert,
so entsteht Massenarmut, wird zu wenig kapi- / talisiert, so entsteht neben
der günstigen Beteilung der vorhandenen Wirtschafter die Schwierigkeit,
den Nachwuchs unterzubringen; werden zu viele Maschinen angewendet, so
entsteht Arbeitslosigkeit. Die P r e i s e f ü r d i e r i c h t i g e W i r t -
s c h a f t s i n d d a n n a b e r a n d e r e w i e f ü r d i e u n r i c h t i g e ,
wodurch wieder ein Spielraum entsteht.
Ferner: Ein unrichtiger Preis, der die Grenze überschreitet, welche durch
die nur teilweise Rechenbarkeit der Wirtschaft gegeben ist
1
, bringt eine
U m g l i e d e r u n g im Aufbau der wirtschaftlichen Ganzheiten hervor. Da
diese Umgliederung auf einem W i r t s c h a f t s f e h l e r beruht, wird sie
zum Schlechten ausschlagen. Würde sie aber auf einem Wirtschaftsfort-
schritte beruhen, dann würde sich der als unrichtig betrachtete Preis auf
die Dauer bewähren.
Alle diese Willkürlichkeiten und Machtkämpfe, nicht zuletzt der Kampf
zwischen Wirtschaftsfehlern und Wirtschaftsfortschritten — sie sind der
grundsätzliche Tatbestand, den Erfahrung und Geschichte gleich sehr bestä-
tigen! Dagegen widerspricht es aller Erfahrung, daß die Preise auf „exak-
ten Gesetzen", also Naturgesetzen, beruhen und daher die P r e i s b e w e -
g u n g e n w i e d i e M o n d f i n s t e r n i s s e v o r a u s b e r e c h
n
e
t
w e r d e n k ö n n t e n . Man könnte dann gegen das „natürliche Preis-
gesetz" nicht nur „auf die Dauer nicht aufkommen", sondern könnte es
überhaupt nicht und niemals durchbrechen, weder nach der altklassischen
noch nach der neuklassischen Lehre!
1
Vgl. oben S. 253 ff. und öfter.