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sehen, als hätte in ihm „ g e s c h l o s s e n e “ Hauswirtschaft (z. B.

der Bauernhöfe, der Fronhöfe oder der antiken Herrenhöfe mit

Sklaven) je geherrscht. Das wäre wieder eine atomistische Vorstel-

lungsweise! Man denkt sich in diesem Falle die Gesamtwirtschaft

eines Volkes zwar nicht aus lauter Robinsonen, aber aus lauter

robinsonadisch abgeschlossenen Wirtschaftsgebilden bestehend. Sie

böte dann den Anblick einer S u mm e in sich geschlossener (autar-

ker) Wirtschaften. In Wahrheit darf man die sogenannte „Haus-

wirtschaft“ niemals, und sei sie noch so ureinfach, als „geschlossen“

ansehen — geschlossene Hauswirtschaften hat es nicht einmal im

Steinzeitalter gegeben

1

, ebensowenig gibt es eine solche bei irgend-

einem Naturvolk! Die Hauswirtschaft ist gleich der Zunft im Innern

verhältnismäßig gebunden (organisiert), aber sie ist in der Lage,

jede Veränderung der Ziele und Mittel, z. B. bei Mißernten, Krie-

gen, Bevölkerungsschwankungen, durch selbst vorgenommenen,

nach eigener individualisierter Anpassung durchgeführten inneren

Umbau von Erzeugung und Verbrauch aufzuwiegen. Wie die Zunft

mit anderen Wirtschaftskörpern verbunden und in höhere Wirt-

schaftsganzheiten strenger oder loser eingegliedert ist, so ist auch

die einzelne Hauswirtschaft, eben weil sie nie ganz geschlossen ist,

mit vielen anderen Wirtschaftskörpern verbunden und in allge-

meine Zusammenhänge freier oder fester eingegliedert. Die Ver-

bindung der einzelnen Hauswirtschaft mit Nachbarschaften (z. B.

durch gemeinnachbarliche Arbeiten), mit der Dorfschaft (z. B. durch

gemeinsam bestellte Organe und gemeinsam durchgeführte Ord-

nungen aller Art), mit größeren Gutswirtschaften (grundherrschaft-

liche, fronhofartige Verbindungen), endlich mit dem politisch ver-/

bundenen Wirtschaftskreis von Gau, Herzogtum, Reich (z. B. schon

durch Kriegs-, Waffen- und Ausrüstungsbeisteuer, Staats- und Tem-

pelsteuer, vor allem aber durch Fernhandel und Gütertausch) be-

deutet stets: daß nicht nur eine i n n e r e Organisation besteht, son-

dern auch eine Gliedhaftigkeit in übergeordneten- wirtschaftlichen

Ganzheiten. Möge nun, wie gesagt, diese Gliedhaftigkeit und Ver-

bundenheit eine genauer festgelegte oder eine unbestimmtere, möge

sie eine herrschaftliche oder freiere sein, stets bedeutet sie, daß die

1

Vgl. z. B. den Artikel Handel im Reallexikon der germanischen Alter-

tumskunde, herausgegeben von Johannes Hoops, Bd 2, Straßburg 1915.