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IV. Die frei geregelte Wirtschaft oder der gemäßigte Kapitalismus
Es ist denkbar, daß die ständisch-genossenschaftlichen Bindungen
sich im Innern wie im Verhältnis zueinander so sehr lockern, daß
nur noch einige wenige Grundzüge des Wirtschaften geregelt und
gebunden sind. Wenn, wie in der Zeit vor dem Kriege (als der Ge-
samtarbeitsvertrag noch selten war), nur allgemein und obenhin
bestimmt wird, innerhalb welcher Grenzen ein Arbeitsvertrag ab-
geschlossen werden darf (Zehnstundentag, Sonntagsruhe, Schutz der
Jugendlichenarbeit, der Frauenarbeit, Versicherungspflicht), dieser
aber im übrigen frei ist; wenn ferner zwar Zollschutz, Frachten-
schutz, Verwaltungsschutz, Steuerschutz und ähnliche öffentliche
Wirt- / schaftspflege geübt wird, innerhalb dieser Grenzen aber der
Verkehr nach außen wie im Innern frei ist — dann sind wohl ge-
wisse Grundzüge der Eingliederung einer Arbeitskraft in die Un-
ternehmerbetriebe, wie der Eingliederung der Unternehmungen in
die Volkswirtschaft und Weltwirtschaft geregelt, aber die Gestal-
tung und Anwendung im einzelnen bleibt ungegliedert und frei.
Ebenso, wenn bestimmt wird, daß eine Fabrik unter gewissen Vor-
aussetzungen (bauliche Sicherheit, Nichtbeschädigung der Nachbar-
schaft und so fort) gebaut werden darf, so sind wohl gewisse Grund-
züge der Fabriksgründung geregelt, das große Ganze solcher Unter-
nehmungen aber frei („Gewerbefreiheit“).
Wir nennen diesen Zustand zum Unterschiede von der stän-
disch gebundenen Wirtschaft die frei geregelte Wirtschaft. Sie tritt
uns als „Sozialpolitik“, „Zollpolitik“, „merkantilistische Politik“
und ähnliche Wirtschaftsförderung durch Staat und öffentliche Kör-
perschaft, kurz als sogenannter „gemäßigter Kapitalismus“ oder
„regulierte Verkehrswirtschaft“ in der Geschichte entgegen. Wir
sehen diese Wirtschaft in den sogenannten kapitalistischen Zeit-
altern der Geschichte (den individualistischen) immer wieder wirk-
lich werden; und doch ist sie ihrem eigentlichen, innersten Wesen
nach eine utopische Wirtschaftsform. Warum?
Der gemäßigte Kapitalismus ist seiner Natur nach eine Über-
gangsform. Als Ubergangsform und Entwicklungswendung ist er
möglich, ja er kann wirklichkeits- und lebensfördernd werden,
gleichwie ein Fieber zur Überwindung von Krankheitsstoffen führt;
als Dauerform ist er utopisch, weil er nur auf dem Boden ständi-