Table of Contents Table of Contents
Previous Page  2917 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 2917 / 9133 Next Page
Page Background

[ 38 6 / 3 87 ]

347

stung ableiten; sie zeigt Mannigfaltigkeit der Glieder wie der echte

Organismus und ist daher zum Unterschied von der Planwirtschaft

vollkommen lebensfähig; sie erreicht dies dadurch, daß die Ver-

bände auf verhältnismäßige geistige Gleichartigkeit ihrer Glieder

begründet sind, und dabei dennoch sowohl im Innern wie nach

oben und unten hin gewisse Freiheiten haben und diejenigen Än-

derungen ihrer Lebensbedingungen, die sich durch geistige, tech-

nische und stoffliche Entwicklungen ergeben, durchführen und

durchkämpfen können; sie ist vor allem ferner aber dadurch lebens-

fähig, daß sie im inneren Umkreise selbstbestimmend ist, daß sie

diejenigen Dinge, die der Beteiligte allein übersehen und beurteilen

kann, selbst entscheidet und daher den f o r t w ä h r e n d e n i n -

n e r e n U m b a u d e r W i r t s c h a f t i n d e r Z e l l e s e l b s t

b e s o r g t . Der Schuster urteilt in seiner Zunft über Schuster-

angelegenheiten, die nur er versteht, der chemische Erzeuger über

chemische Angelegenheiten, die nur ihm bekannt sind und mit sei-

nem Wohl und Wehe Zusammenhängen. Die ständische Wirtschaft

ist, wie sich auch in diesem Zusammenhange zeigt, nach dem Grund-

satze „Gleichheit unter Gleichen“ gebaut und hat damit demjenigen

Baugesetz, das aus dem/Wesen und der Urkraft alles gesellschaft-

lichen Werdens, dem geistigen Leben, entspringt, Genüge getan.

Dennoch wohnt auch der ständischen Wirtschaft eine gewisse

Gefahr inne, die Gefahr der E r s t a r r u n g ihrer Ordnungen. Wenn

jene oben geschilderte Beweglichkeit im Innern wie nach außen hin

so gehemmt wird, daß die wirtschaftlichen Tätigkeiten mehr fest-

gelegt werden, als der Entwicklung der geistig-sittlichen Ziele, denen

die Wirtschaft dient, entspricht; und wenn andererseits das geistige

Leben derart nachläßt, daß dauernder Organ-Eigennutz (Verbands-

Eigennutz) die Eingliederung nach oben und unten zerstört: dann

erstirbt die Beweglichkeit der Mittel, dann obsiegt das Mittel über

das Ziel, und es entsteht ein ähnliches Unvermögen der Wirtschaft,

ihren Zielen zu dienen, wie in der Planwirtschaft. Die Folge ist ein

Aufstand der geistigen Welt gegen die Welt der Mittel, welche un-

zeitgemäße, nicht mehr zielgemäße Bindungen aufweist. Renaissance

und Humanismus mit ihrem Frühkapitalismus sind Beispiele dafür

1

.

1

Näheres darüber in meinem Buche: Der wahre Staat, 3. Aufl., Jena

1931, S. 228 ff. und öfter [4. Aufl., Jena 1938, S. 229 ff. und öfter].