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Wirtschaftsgeschichte, als sie bisher üblich ist. Bisher herrscht die
darwinistische und die marxistische Einstellung in der Wirtschafts-
geschichte unbewußt vor. Die darwinistische insofern, als in den
früheren Zeitabschnitten der Geschichte überall primitivere Ver-
hältnisse gesehen werden, die wir durch unsere moderne Entwick-
lung längst überholt hätten. Die marxistische insofern, als in der
Urzeit eine Art von kommunistischen Verhältnissen angenommen
wird — z. B. die Markgenossenschaft der Germanen, die aus lauter
Gleichen bestanden haben soll —, welche langsam durch immer
größere Durchbrüche des Privateigentums zum Gipfel der bisheri-
gen Entwicklung, zum Kapitalismus, geführt hätten, auf den dann
nach Marx ein geläuterter Zukunfts-Kommunismus folgen würde.
Bücher hat, ganz diesem darwinisch-marxistischen Geiste gemäß,
in seinem Werke „Die Entstehung der Volkswirtschaft
1
“ die ge-
samte Wirtschaftsgeschichte nach der Stufenfolge von „Hauswirt-
schaft, Stadtwirtschaft, Volkswirtschaft“ erklären wollen, zum Teil
auf Gedanken von Schönberg und Rodbertus gestützt
1 2
. So sehr
diese Stufenlehre von bedeutenden Geschichtsforschern, besonders
von Below
3
und Eduard Meyer
4
, in entscheidenden Einzelheiten an-
gegriffen wurde, ist und bleibt sie dennoch typisch für den Geist
unserer ganzen heutigen Wirtschaftsgeschichte. Eduard Meyer zeigte
zwar, daß kapitalistische Verkehrswirtschaft schon im Altertum vor-
handen war; Pöhlmann
5 6
wies sozialistisch und kommunistisch gear-
tete Revolutionen schon im Altertum nach (wenn auch wohl allzu
sehr mit modernen Augen gesehen); von Below
6
ließ die von Bü-
cher / gegebene Stufenfolge nicht als geschichtliche Reihe gelten
(nur als Typenlehre, was aber auch falsch ist) und erhob damit
einen gewichtigen Einwand; Sombart und andere brachten ihre
1
Karl Bücher: Die Entstehung der Volkswirtschaft, 6 Vorträge, 1. Aufl.,
Tübingen 1893.
2
Vgl. Georg von Below: Probleme der Wirtschaftsgeschichte, Tübingen
1920, S. 165 ff., 175 f. und öfter.
3
Georg von Below: Probleme der Wirtschaftsgeschichte, Tübingen 1920,
S. 143 ff. und öfter.
4
Eduard Meyer: Die wirtschaftliche Entwicklung des Altertums (= Jahr-
bücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd 64, Jena 1895), S. 696 ff.
6
Robert von Pöhlmann: Geschichte der sozialen Frage und des Sozialis-
mus in der antiken Welt, 2 Bände, 2. Aufl., München 1912.
6
Georg von Below: Probleme der Wirtschaftsgeschichte, Tübingen 1920,
S. 171 ff. und 192 ff.