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Richard Avenarius sodann, der die erkenntnistheoretisch weitaus am
meisten durchgebildete Form dieser Auffassung repräsentiert (Schumpeter
geht an ihm leider ganz vorüber), hat denselben Gedanken als „Prinzip des
kleinsten Kraftmaßes“ ausgesprochen. Avenarius hat übrigens selbst auf
dieser Basis den Relativismus dieser Lehre (in bezug auf die Möglichkeit
w a h r e r Erkenntnis) überwunden, und dem Begriffe (als möglichem
Ideal) die Eigenschaft vollkommener Konstanz zugesprochen
1
.
Schumpeter aber vertritt mit seiner Lehre einen erschreckenden
Nihilismus, der gleich in den ersten Worten des Vorwortes dem Leser
entgegentritt. Schumpeter sagt da: der Satz: Alles verstehen heißt alles
verzeihen, gelte auch für die Wissenschaft; und damit meint Schumpeter,
„daß auch in der Nationalökonomie fast jeder Autor und jede Richtung mit
seinen Behauptungen Recht hat: So, wie sie gemeint sind, und vom
Standpunkt der Zwecke, für die sie gemeint sind .. .“
1 1 2
! — ein
Relativismus, philosophisch schwer diskutabel, praktisch-methodisch aber
unfruchtbar.
Es kann nicht wundernehmen, daß alles weitere Logisch-
Methodologische,
auf
das
der
Verfasser
seine
spezielle
nationalökonomische Methodenlehre gründet, nicht Stich hält. Er wirft die
Frage auf, wieso man von der Nationalökonomie sagen könne, daß sie
lediglich beschreibe?, da doch z. B. die Beschreibung einzelner Tauschakte
eine Geschichte der Preise aber keine Theorie ergäbe. Und erwidert: „Die
Antwort, die wir auf diese Frage geben wollen, enthält den Kern einer
Erkenntnistheorie der reinen Ökonomie.“
3
Wie dieser Kern einer
Erkenntnistheorie der Ökonomie aussieht, möge des typischen Charakters
halber ausführlicher mitgeteilt und besprochen werden; auch deshalb, weil
es nicht unzweckmäßig sein dürfte, der-
1
Durch Einführung eines „Denkbar-meist-sich-Wiederholenden“, das heißt wenn die
Begriffe dem „Denkbar-meist-sich-Wiederholenden“ unserer Erfahrung ausgesetzt sind,
bilden sie sich zu derart vollkommenen Anpassungsgebilden um, daß sie von „denkbar
größter Setzbarkeit“ werden, das heißt „haltbarste Begriffe“, oder „vollkommene Konstante“.
— Vgl. Richard Avenarius: Kritik der reinen Erfahrung, 2 Bde, Leipzig 1888 und 1890, Bd 1,
S. 188 ff., Bd 2, S. 304 ff. — Zur allgemeinen logischen Erörterung des Begriffes der
Denkökonomie vgl. E d m u n d H u s s e r l : Logische Untersuchungen, Bd 1, Halle 1900,
S. 197ff. und 202 ff.
2
Joseph Schumpeter: a. a. O., S. VI.
3
Joseph Schumpeter: a. a. O., S. 39.