320
Die Frage, ob jede wissenschaftliche Erklärung (oder noch weiter: auch
die historische Erkenntnis) denkökonomische Beschreibung eines
Tatbestandes sei, kann in einem allgemeinen Sinne gewiß bejaht werden
1
.
Mit einer derartigen, nur vagen Allgemeinheit einer ökonomischen
Auslese (oder gar einer Auslese nach der Ähnlichkeit, die Schumpeter
einführt!) ist aber weder in logischer Hinsicht Genüge getan, noch für das
methodische Problem speziell unserer Wissenschaft etwas geleistet. Es
fragt sich daher: Welche Eigenschaften diese allgemein als ökonomische
Beschreibung bezeichnete Begriffsbildung (a) überhaupt, logisch
betrachtet, habe und (b) im besonderen, gemäß dem Charakter des
Objektes unserer Wissenschaft.
Die erstere Frage ist mit untenstehender Anmerkung im wesentlichen
beantwortet. Die zweite Frage aber muß von der Bestimmung der Natur
des Objektes unserer Wissenschaft aus und weiter
1
Ich kann hier auf H e i n r i c h R i c k e r t (Die Grenzen der naturwissenschaftlichen
Begriffsbildung. Eine logische Einleitung in die historischen Wissenschaften, Tübingen 1902)
verweisen, der über das allgemeine Logische dieser Frage Abschließendes gesagt hat. Im
wesentlichen
ist
es
folgendes:
Der
kausaltheoretische
(nomothetische,
„naturwissenschaftliche“) Begriff hat die Aufgabe, die unendliche extensive und intensive
Mannigfaltigkeit, welche die Wirklichkeit uns darbietet, zu überwinden und ist in diesem
Sinne allerdings ein denkökonomisches Gebilde. Dies geschieht durch die Mittel der
Allgemeinheit — das ist der Heraushebung der g e m e i n s a m e n Eigenschaften mehrerer
Dinge —, der Bestimmtheit — das ist der f e s t e n A b g r e n z u n g der allgemeinen
Vorstellung — und der Gültigkeit des Begriffes — das ist der Eigenschaft, auf j e d e n
E i n z e l f a l l , wo immer er im Raum sein mag, zu passen. — Je mehr nun demObjekt einer
Wissenschaft historische Elemente anhaften, das heißt je mehr es eine Wissenschaft mit
historisch bestimmten Individualitäten zu tun hat (z. B. die Biologie mit dem Organismus —
dagegen hat die Mechanik bloß das völlig unhistorische Objekt „Bewegung“ vor sich) um so
mehr muß sich die „Beschreibung“ und „Erklärung“ auf dem Niveau der Klassifikation halten,
das heißt um so mehr muß sie sich mit „beschreibenden“ Klassifikationsbegriffen begnügen.
Je weniger aber das Objekt einer Wissenschaft historischer Natur ist, je allgemeiner der
Charakter ihres Objekts ist, um so mehr können die Begriffe, welche sie bildet, erklärende
G e s e t z e s b e g r i f f e (Relationsbegriffe) werden. Während für die Physik jeder
Dingbegriff ein Gesetzesbegriff (Relationsbegriff) ist, weil ihr alle Vorgänge schließlich in ein
System letzter bewegter Teile — und der Begriff von diesen ist der einzige Begriff, mit dem
sie arbeitet — zerfallen, kann innerhalb jener Disziplinen, welche mit historisch bestimmten
Individualitäten zu tun haben, gar nicht einmal das Ziel aufgestellt werden, jeden Dingbegriff
zu einem erklärenden Gesetzesbegriff zu machen, wenigstens in demselben Maße, als es sich
um Individualitäten, um Gebilde historischer Natur handelt, und nicht um Gebilde unbedingt
allgemeingültiger Natur, typische Zusammenhänge.