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S t a n d (genauer: das, was nach individualistischer Auffassung

Klasse, nach universalistischer Stand ist); sondern: Geist und Rich-

tung des Lebens führen zu einer bestimmten Wirtschafts- und Ar-

beitsweise; diese ist darum erst in abgeleiteter Eigenschaft selbst Vor-

aussetzung für Gruppierungen gleichartigen Handelns (für „klassen-

mäßige“, „ständische Gruppierungen“).

Nie ist etwas Verkehrteres behauptet worden als dieser angebliche

Kausalzusammenhang zwischen „gesellschaftlichem Unterbau“ und

„Überbau“, da dasjenige, was für sich nicht einmal gedachterweise

möglich ist — die Wirtschaft — auch keine selbständige Ursache, ge-

schweige denn das absolute Prius sein kann. Aber dieser Gedanke

spielt nicht nur in der gesamten Soziologie, sondern auch in der ge-

samten modernen Geschichtsschreibung unbewußt eine größere Rolle,

als man denkt — eine herrschende!

Auch der — uns gleichfalls schon bekannte Marxische und indivi-

dualistische — Gedanke der Bildung der „Klassen“ durch Unter-

werfung und Unterdrückung, wie überhaupt der Gedanke des

grundsätzlichen Gegensatzes der Klassen, der Gedanke des Kampfes

in diesem Gegensatze als konstitutiver, als positiver Erscheinung je-

der geschichtlichen Gesellschaft — das alles ist von Grund auf verirrt.

Durch Unterdrückung wird Gesellschaft zerstört, nicht geschaffen! Der

Unterschied der Stände ist vielmehr seinem Wesen nach ein gesun-

der, organischer, wesensgemäßer, der auf Ergänzung angelegt ist,

nicht auf Kampf noch Gegensatz. Kampf ist hier Entartung,

Krankheit. Stand oder „Klasse“ kann daher nie wesenhaft durch

Unterdrückung entstehen noch bestehen, die Geschichte nicht durch

sie bestimmt sein

1

.

Es ist hier der Ort, mit einer Überschau über die Irrtümer

Marxens und des Individualismus im Lehrstück von der „Klasse“

die vorstehende Auseinandersetzung abzuschließen, wobei der zu-

letzt berührte Punkt noch eine genauere Behandlung finden mag.

Als der erste Irrtum Marxens und des Individualismus zeigte sich uns, daß

die Klasse auf die Wirtschaft gegründet, Wirtschaft daher die „primäre Ursache“

der Klasse sei — statt auf die gesamte Geistigkeit einer Zeit und einer Gesell-

schaft. Wirtschaft ist nur als ein Teilgebiet des Handelns zu verstehen; das Han-

deln überhaupt, im besonderen das wirtschaftliche ist auf seinen geistigen Grund

zurückzuführen. Das Wirtschaftliche kann schon darum, daß es Mittel für die

obersten Ziele des Lebens, nur dienend, nicht schöpferisch ist, niemals eine pri-

1

Weiteres darüber siehe sogleich unten S. 83 ff.