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In der Bhagavadgita

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heißt es:

„Die Aufgaben der Brahmanen, Kshatriyas [Krieger], Vaicyas [Bürger] und

(Cûdras [Knechte] sind unterschieden nach den in ihrer Naturanlage hervortre-

tenden Gunas (Kräften).

Ruhe, Bezähmung, Askese, Reinheit, Geduld und Rechtschaffenheit, Wissen,

Wissenschaft und positiver Standpunkt, das ist die aus seiner Natur entspringende

Aufgabe des Brahmanen.

Heldenmut, Energie, Standhaftigkeit, Tüchtigkeit und Ausharren im Kampfe,

Freigebigkeit und Herrschermacht, das ist die aus seiner Natur entspringende

Aufgabe des Kshatriya.

Ackerbau, Viehzucht und Handel ist die aus seiner Natur entspringende Auf-

gabe des Vaicya; die Aufgabe des Cûdra, wie sie seiner Natur entspringt [man

denke an die Rassenunterschiede in Indien], besteht im Dienen.

Die Vollendung erreicht der Mensch, indem er sich an der ihm gewordenen

Aufgabe erfreut; wie er durch die Freude an seiner Aufgabe zur Vollendung ge-

langt, das vernimm.“

Verwandtes in den Sprüchen des Kungfutse

2

.

P l a t o n läßt in seinem „Staat“

3

Sokrates sagen. „Ihr s e i d . . .

zwar alle ... Brüder untereinander, aber der Gott, der euch bildete,

hat denen unter euch, die zum Herrschen berufen sind, bei ihrer Ge-

burt Gold beigemischt..., den Beihelfern [Kriegern] aber Silber und

den Ackerbauern und sonstigen Handarbeitern Eisen und Erz.“ Dem

Herrscher- oder Lehrstand, dem Wehrstand, endlich dem Nährstand

entsprechen geistig: Λόγος, θυμός, έπιμυία. Hiermit sind die Stände

(γένη) als wesenhaft geistig bestimmt.

Auch A r i s t o t e l e s bezeichnet in der „Politik“

4

als Glieder

(μόοια) des Staates die Träger des Nährstandes, die waffentragenden

und die beratenden Bürger. Die Fähigkeiten, welche diese Stände von

ihren Angehörigen erfordern, kommen nicht allen Staatsangehörigen

in gleichem Maße zu

5

.

Dem antiken Standpunkt folgte jener der mittelalterlichen Schola-

stik in seiner Weise nach. Und in der Neuzeit war es zuerst wieder

die Romantik und die deutsche nachkantische Philosophie, welche die

universalistische Auffassung der individualistisch durchsetzten abend-

1

Paul Deussen: Der Gesang des Heiligen (Bhagavadgita), Leipzig 1911, XVIII,

41—45.

2

Vgl. Kungfutse: Gespräche (Lun Yü), aus dem Chinesischen übersetzt und

erläutert von Richard Wilhelm, Jena 1910, z. B. Il, 3; XII, 19; XX, 3; XIII, 2;

XII, 22. — Johann Jakob Maria de Groot: Universalismus, die Grundlagen der

Religion und Ethik, des Staatswesens und der Wissenschaften Chinas, Berlin 1918.

3

Platon: Staat, 415.

4

Aristoteles: Politik, 1290 b, 40.

5

Aristoteles: Politik, 1291 b, 1328 b ff.