Table of Contents Table of Contents
Previous Page  3571 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 3571 / 9133 Next Page
Page Background

137

geltend machen. „Gleichheit“ macht das Ganze zu einem atomisti-

schen, einem homogenen Haufen. Hier zeigt sich das Individuali-

stische am Gleichheitsbegriffe mit besonderer Deutlichkeit, d e n n

d a s H o m o g e n e i s t n i c h t o r g a n i s c h , d a s O r g a -

n i s c h e i s t n i c h t h o m o g e n , sondern abgestuft ungleich!

— Gleichheit enthält ferner auch ein Herrschaftselement in sich,

und zwar in dem Sinne, daß der Höhere durch Gleichheit auf die

Durchschnittsebene des Niederen herabgezwungen, der Niedere auf

die Durchschnittsebene hinaufgehoben wird ( H e r r s c h a f t d e s

N i e d e r e n ! ) . — Ist das Ganze atomisiert, so kann es endlich

auch folgerichtig nur ein Zentrum haben — der Zentralismus des

naturrechtlichen Staates im Gegensatz zu dem Dezentralismus des

körperschaftlichen, ständischen Staates.

Universalistisch am Gleichheitsbegriff hinwieder ist, daß der Ein-

zelne dabei von einem Ganzen her als „gleich“ bestimmt werden

muß. Gleichheit ist ein Begriff, der nur im Verbande Sinn hat, weil

nur dieser einen Maßstab hergibt (z. B. ist es das Einkommen des

gesamten Volksverbandes, das „verteilt“ werden muß). Freilich

widerspricht dieser Begriff, der ein Organisches homogen machen

will, dem Baugesetze jeder Ganzheit

1

.

Universalismus und Individualismus enthalten auch den Grund-

satz für das Maß der Staatsaufgaben. Individualistische Freiheit und

Fürsichsein muß auf ein Mindestmaß der Staatsaufgaben, auf den

bloßen Sicherheitsstaat des Naturrechtes hinführen. Der Staat ist

dann ein Mindestmaß von gemeinsamer Organisation des Lebens.

Universalistisch gesehen aber ist der Staat die Organisation des

Höchstmaßes geistiger Verbindung der Einzelnen; der Staat hat

zum vornehmsten Gegenstande die geistige Verbindung der Staats-

glieder (die Aufgabe der äußeren Ordnung tritt zurück). Das

Höchstmaß von Geistigkeit durch das Höchstmaß von Vergemein-

schaftung, von Bindungen aller Art organisatorisch herbeizuführen,

dies führt zum Grundsatze des Höchstmaßes der Gemeinschafts-

und Staatsaufgaben.

1

Genauere Ausführungen darüber siehe in meinem Buch: Der wahre Staat,

2. Aufl., Leipzig 1923, S. 58 ff. (jetzt 5. Aufl., Graz 1972, S. 83 ff.).