Table of Contents Table of Contents
Previous Page  3764 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 3764 / 9133 Next Page
Page Background

331

des Mitlebens, der gegenseitigen inneren Anziehung vor uns. Und

diese Behauptung kann man sogar auf die K r i s t a l l e ausdehnen

1

.

Auch wenn wir diese Hinweise noch um viele andere vermehrten

(das zu tun, ist nicht unsere Aufgabe), so würden wir doch nicht zu

einem vollen Bilde des Gesamtganzen, das wir in der Natur be-

schlossen wissen, gelangen. (In meiner „Naturphilosophie“ ver-

suchte ich eine „Ausgliederungsordnung“ der Natur zu entwerfen.)

Aber der Begriff eines Gesamtlebens im Gesamtganzen der Natur,

wie wir ihn fordern, ist dennoch nicht ohne Ausbeute!

Zuerst erkennen wir aus ihm, daß die Natur — als Ganzes ge-

nommen — s c h ö p f e r i s c h sein müsse! Dem widersprechen

allerdings die „Erhaltungssätze“ der gegenwärtigen Physik. Aber

keine lebendige und tieferdringende Naturbetrachtung kann ihnen

zustimmen. Die Erhaltungssätze, heute alle auf den Satz von der

Erhaltung der Energie zurückgeführt, sind lediglich eine Forderung

des V e r f a h r e n s der Physik, das heißt der Auflösung sämt-

licher Naturerscheinungen ins Mengenhafte, Mathematische. Aller-

dings bewährte sich diese verfahrenmäßige Unterstellung und

machte die Physik erst zu dem, was sie wurde; sie gab ihr erst ihre

heutige Geschlossenheit. Das kann aber niemals ein Beweis gegen

dasjenige sein, was aus dem Wesen der Sache gefordert und aus un-

serem Mitleben mit ihr unmittelbar eingesehen wird: „wie Natur

im Schaffen lebt“. (Goethe, Parabase)

Eine zweite Frucht des Begriffes eines Gesamtganzen der Natur

mit einem Gesamtleben sprießt aus dem Begriffe der Ganzheit sel-

ber, unmittelbar! Wie jedes Glied einer Ganzheit von einer größe-

ren Ganzheit befaßt, das heißt überhöht und rückverbunden wer-

den muß, so auch die Gesamtganzheit der Natur selber. Das kann

nur im Höchsten geschehen, in G o t t .

Nach den verfahrenmäßigen Unterstellungen der Physik —

welche eben zur Erreichung des Zieles einer rein mengenhaften Be-

trachtung nötig sind — kann von Gott in der Natur nicht die

1

Vgl. W i l h e l m T r o l l :

Goethes morphologische Schriften, Jena o. J.,

S. 89, 94 ff. und öfter; Das Problem des Schönen, in: Studium Generale, 1949,

S. 259 ff. (mit wertvollen Nachweisen: die S c h ö n h e i t g e h t d u r c h

d i e g a n z e N a t u r ) . — L o t h a r W o l f , in: Studium Generale, Heidel-

berg 1949, S. 213 ff. — J o h a n n K i l l i a n : Das Du im Stein, Die Sprache

des Anorganischen, Berlin, Wien, Leipzig 1948.